Originalhörspiel

Autor/Autorin: Jürgen Lodemann

Die Närrin mit der Hacke

Technische Realisierung: Udo Schuster, Christiane Köhler
Regieassistenz: Birgit Kehrer

Regie: Hans Gerd Krogmann

"Wer in die moslemischen Regionen dieser Welt reist, ist es gewohnt, daß Männer die Szene beherrschen, zumindest nach außen, auf den Straßen, in den Kneipen. Als ich im Sommer 1986 die alte, um 1900 von deutschen Ingenieuren geplante und im Bau beaufsichtigte 'Bagdad-Bahn' entlangzufahren versuchte, begegnete ich in den Erzählungen der vielen Männer mit denen ich zu sprechen hatte, immer wieder den Resten einer Geschichte, die vor allem eins zusammenfügten: - die Geschichte einer Frau. Noch vor dem ersten Weltkrieg, als auch 'bei uns', in Mitteleuropa, der Herr unumstritten das Bild bestimmte, gab es in der Runde jener Pioniere und Ingenieure auch eine Frau, eine deutsche, eine Ingenieurin. Es ist mir nicht gelungen, ihren Namen zu ermitteln. Aber da ich an so verschiedenen Stellen immer wieder auf die Spur ihrer denkwürdigen Geschichte gebracht wurde, hat sich mir mehr und mehr der Wunsch verstärkt, diese Figur zu rekonstruieren, 'hochzurechnen', ihre Tat, ihr Leben, ihre Geschichte. Alles was ich mir unterwegs zu notieren hatte, was mir - von Männern - angedeutet oder beredt versichert wurde, habe ich als authentisches Material zu verstehen begonnen, um damit einer Unbekannten sowas wie schuldigen Respekt zu erweisen." (Jürgen Lodemann) Mündliche Überlieferungen und Zeitdokumente haben sich in der Erzählphantasie zu einer Radio-Moritat vom Bau der Bagdad­Bahn verdichtet, mit deren Titel Jürgen Lodemann auf einen Prototyp des Erzählhörspiels Reinachers " Der Narr mit der Hacke" (1930) anspielt. Während der "Narr" in Reinachers fernöstlicher Legende seine verbleibende Lebenszeit daran setzt, mit der Spitzhacke einen unüberwindlichen Berg zu durchdringen, um eine mythische Schuld abzuarbeiten, arbeitet die moderne Ingenieurin im Orient mit ebensoviel Entschiedenheit an ihrer Emanzipation inmitten einer männlichen Berufswelt, die in ihr nur eine verbissene Närrin am Werk sieht und an ihr schuldig wird.