Originalhörspiel
Autor/Autorin:
David Zane Mairowitz
Azaris Lufttheater
übersetzt aus dem Amerikanischen
Übersetzung: Petra Kiener
Technische Realisierung: Günter Genz, Iris König
Regieassistenz: Annette Jainski
Regie: Norbert Schaeffer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Tilo Prückner Azari Christian Brückner Russolo Peter Seum Macchi Hanfried Schüttler Keller Peter Simonischek Commandante Toni Slama Leutnant
Italien 1923, ein Septembertag: auf einem Flugfeld in der Nähe von Rom streiten sich einige Kunstflieger um das Programm und die Kostüme einer für den Nachmittag vorgesehenen großen Flugschau von "Azaris Lufttheater". Als besonderer Ehrengast des luftakrobatischen Spektakels mit Geräuschmusikeffekten wird Benito Mussolini erwartet - doch der ist mit der "griechischen Krise" und seinem Überfall auf die Insel Korfu beschäftigt. Im Mittelpunkt dieses Hörspiels stehen zwei Protagonisten des italienischen Futurismus: der Maler, Typograph und Verleger Fedele Azari, der in einem 1919 formulierten Manifest das futuristische "Lufttheater" als zeitgemäßen künstlerischen Ausdruck des Maschinenzeitalters proklamierte, und der Geräuschkomponist Luigi Russolo, der bereits 1913 mit selbstkonstruierten Apparaten die musikalische Pantomime eines "Zusammentreffens von Autos und Aeroplanen" aufgeführt hatte. Ihre Zusammenarbeit ist historisch verbürgt. Teile der theoretischen Schriften beider, im Falle Russolos auch Originalmusik, hat der Autor David Z. Mairowitz so in die Spielhandlung verwoben, daß sich einerseits der revolutionäre ästhetische Anspruch der Künstler vermittelt, andererseits deutlich wird, wie sehr der Futurismus in Geist und Gestus einer ideologischen Indienstnahme durch den Faschismus entgegen kam. So sollte das Lufttheater nach dem Willen Azaris zu einer "prächtigen Schule des Heroismus" für weite Bevölkerungskreise werden und als "erstes, wirklich dramatisches Theater" ein Millionenpublikum in seinen Bann ziehen. Festzuhalten bleibt, daß die aviatorische Thematik nicht nur die italienischen Künstler inspiriere, auch Kafka und Baudelaire haben sich beispielsweise damit befaßt, so daß man von einer Erweiterung der modernen Weltliteratur um die Sparte Luftpoesie sprechen kann. Doch vor allem im italienischen Futurismus ist die heroisch stilisierte Figur des artista aviatore zu einer faschistischen Symbolgestalt geworden, nicht zuletzt dadurch, daß ihr Apologeten eines aggressiven Männlichkeitswahns wie Filippo Tommaso Marinetti und Gabriele d'Amunzio wortreich Reverenz erwiesen haben.
Produktions- und Sendedaten
- Sender Freies Berlin 1987
- Erstsendung: 08.11.1987 | 43'52