Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Paul Pörtner
Weltende, ein Requiem für Jacob van Hoddis
Regie: Paul Pörtner
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Janet Cobb Carmen Renate Köper Peter Eschberg Heiner Schmidt Michael Thomas Manfred Tothe Charles Wirths
"Wer ist Jakob van Hoddis? Allgemein bekannt war nur das Gedicht
"Weltende", das als Beginn der sogenannten expressionistischen
Dichtung gilt und immer wieder zitiert wird. Ich gab mich nicht damit
zufrieden, Jakob van Hoddis als den Dichter eines einzigen Gedichtes
zu akzeptieren, forschte seinem Werk und seinem Leben nach und gab
seine "Gesammelten Dichtungen" 1959 heraus. Seitdem hat sich eine neue
Rezeption dieses Dichters durchgesetzt: sein Verschwinden in
Heilanstalten zu Beginn des ersten Weltkriegs und seine Ermordung
durch Nazi-Ärzte wurden in Zusammenhang gesetzt mit seinem Werk: die
persönliche Geschichte vollzieht die katastrophale Überspannung und
Diskrepanz der geschichtlichen Situation. Er wird entmündigt, da wo er
die Grenzen des Sagbaren überschreitet und seine Poesie lebt.
Die konsequente Ausführung des Ansatzes eines einzigen Gedichtes
"Weltende" bedeutet eine dramatische Entwicklung: vom Simultangedicht,
das als Äquivalent einer relativierten, desorientierten Welt ohne
Sinnmitte entsteht, geht Jakob van Hoddis weiter zur Satire, zur
Parodie (Aufnahme von Trivialformen wie Gassenhauer, Moritat, Song) um
schließlich in reinen Expressionen zu enden, die über das Wort zum
Schrei, zur Lautgeste, zum Verstummen führen.
Ich nehme dieses Werk zum Anlass, um ein Requiem, das für den einen
(Jakob van Hoddis) geschrieben wird, aber auch einer Vielzahl von
unbekannten expressionistischen Dichtern gilt, die in Heilanstalten
verschwanden, durch Rauschgiftsucht oder Selbstmord verendeten. Die
Besonderheit dieser stereophonen Umsetzung expressionistischer
Literatur ist durch die Anlage der Gedichte des Jakob van Hoddis
vorgegeben: die Methode der Simultaneität und die Transzendenz des
Wortes zur reinen Expression, dem Schrei, sind hier maßgebend." (Paul
Pörtner)

Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk / Norddeutscher Rundfunk 1973
- Erstsendung: 01.11.1973 | 58'30