Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Julius Hay
Die Enttäuschten
Komposition: Enno Dugend
Regie: Gustav Burmester
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Wilhelm Borchert Anton Berkó Hartmut Reck Franz Berkó, sein Sohn Hermann Schomberg Virgil Tamási Ingrid Andree Paula Maria Krasna Frau Kovács Heinz Schacht Ein Mann
Ende 1932 stellte Reinhardts "Deutsches Theater" in Berlin seinen
Zuschauern einen neuen Autor vor. Den 1900 geborenen,
deutschschreibenden Ungarn Julius Hay mit seinem Drama "Gott, Kaiser
und Bauer". Die Nationalsozialisten inszenierten einen Skandal. "...
das muss man sagen, Hay versteht sich darauf, den Menschen Illusionen
zu nehmen ...", stand in Goebbels' Tageszeitung "Der Angriff".
Der Emigrant Hay nahm weiterhin "den Menschen Illusionen", wenn diese
der Tyrannei zuträglich waren. Hay: "Tatsächlich ist die Entwicklung
des Schriftstellers nichts Geringeres als die allmähliche Aneignung
der Kunst, die Wahrheit zu sagen." Als Hay 1945 aus sowjetischer
Emigration nach Budapest zurückkehrte, wurde er hier zunächst neben
Tibor Dèry als großer revolutionärer Volksdichter gefeiert. Seine nach
1945 aufgeführten Stücke, vor allem das heute noch meistgespielte
"Haben", brachten ihm neue internationale Erfolge, aber sie trugen ihm
auch den Hass des Regimes ein. In seinem Drama "Gaspar carros Recht"
nahm er 1955 die "neue Klasse", die herrschende Bürokratie der
Volksdemokratien unter die Lupe. Die Folgen: Verbot des Stückes und
scharfe Parteirügen.
1956 trat Hay offen für die ungarische Volkserhebung ein und wurde
nach dem Niederrennen der Revolution als einer ihrer geistigen Urheber
in einem Geheimprozess zu sechs Jahren Kerker verurteilt. Eine
weltweite Protestbewegung befreite ihn nach drei Jahren und drei
Monaten. Erst 1963 erhielt er mit der Freigabe seiner Stücke für das
In- und Ausland die Erlaubnis zu einer Reise in den Westen, wo seither
viele seiner Dramen mit Erfolg über die Bühnen gingen. Auch im
Hörspiel verfolgt Hay konsequent seine Maxime, "vorbehaltlos die
Wahrheit zu sagen, jeden und alles zu kritisieren, auf
nichtmarxistische Art zu kritisieren, auf nichtmarxistische Art zu
denken oder auch auf marxistische Art zu denken, selbst wenn seine
Denkweise heute noch nicht zu den offiziell verkündeten und
obligatorischen Wahrheiten gehört".
Sein erstes Hörspiel, "Appassionata", war den verfolgten und
eingekerkerten ungarischen Revolutionären gewidmet. Sein neues Stück
setzt sich mit den Illusionen auseinander, die hüben wie drüben gehegt
werden.
Zwei Ingenieure, Vater und Sohn, stehen einander gegenüber. Der Vater
lehnte es 1956 ab, aus Ungarn zu fliehen. Er wollte dem Sozialismus,
der ihm und seinem Volk versprochen wurde, "noch eine Chance geben".
Der Sohn suchte die Erfüllung seiner Ideale im Westen. Nach zwölf
Jahren sehen sie sich wieder.
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk / Hessischer Rundfunk 1968
- Erstsendung: 06.11.1968 | WDR 1 | 49'35