Hörspiel

Autor/Autorin: Heinz Ehrig

Der Herbstzeitlose

Komposition: Kurt Herrlinger

Regie: Günther Sauer

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Joachim TeegeOskar Senser alias Waldemar Pückler
    Hermann SchombergAdalbert Schumann
    Grete WurmSofia Schumann
    Emily ReuerBetty
    Werner RundshagenOberst Bleich
    Hans HesslingMischler
    Jaromir BorekPaule Panzer
    Ingrid Lammerding
    Margret von Munster
    Gerhard Becker
    Josef Meinertzhagen
    Heinz Schacht

Nach vielen Jahren des Exils kehrt Oskar Senser, alias Waldemar Pückler, zurück, um sich an seinem ehemaligen Freund Adalbert Schumann zu rächen. Schumann, eine gottähnliche Figur, hat Senser zeitlebens schikaniert, um seine Verzweiflung ausbeuten zu können (die Sache Hoffnung). Aber jetzt, an seinem Lebensende, will Senser revoltieren gegen das Ramsch-Monopol der Hoffnung, da ohnehin nichts zu wollen sei. Tatsächlich aber wird er seinem Vorsatz untreu; er geht wieder in die Falle, lässt sich von Schumann umdrehen und muss dran glauben. Der Autor hat die Handlung "aus Lokalpatriotismus" nach Oldenburg verlegt. "Eine absurde Krimistory mag interessiert sein am Kontrast zu einer Provinz-Idylle, für die - womöglich noch lange - Gummi der modernste Kunststoff bleiben dürfte." Ehrig hat sich zur Idee seines Stückes ausführlich geäußert, warnt jedoch davor, aus seiner nachträglichen Deutung einen wie immer gearteten Moralismus in das Stück zu verlegen: "Wie Kinder bleiben Erwachsene für Geschichten anfällig. In Geschichten erscheint eine zunächst chaotische Wirklichkeit in Ordnung gebracht. Ein solcher Gang von Ereignissen aber wird von uns als 'Sinn' erfahren, herausgefordert von einem 'Zweck'. Wer sich nun z.B. Senser lebend vorstellt, lässt diesen mit seiner Geburt beginnen und enden - wie das Stück mit seinem Tod. Damit aber gerät Sensers Geschichte in ein Dilemma. Nur wenn sich alle Ereignisse final auf seinen Tod zuordnen ließen, wäre eine Geschichte von Sensers Leben möglich. Es scheint, als wären deshalb religiöse oder ideologische Eschatologien der letzte Trick des Schriftstellers, mit 'Sinn' auch die Form der 'Geschichte' zu retten. Religion und Ideologie verstellen mit spanischen Hoffnungs-Wänden den Ausblick auf das Nächste. Hier wird der Tod besonders als Opfer-Tod (er ist nicht umsonst gestorben) sinnfällig gemacht. So etwas schließt ein: Wer Lebenshoffung auf diese Art retten will, muss bereit bleiben, sein nur persönliches Schicksal den Kollektiven unterzuordnen; anders geht der Trick nicht auf. Völlig anders wird das, wo einer der Absurdität seiner Existenz inne geworden zu sein meint. Dieser weiß seinen Tod als das Ende eines psychologischen Prozesses, aber es misslingt ihm, seinen Tod zweckhaft zu deuten. Der von ihm festgestellte Widerspruch zwischen einer denkbaren Ewigkeit und existentieller Zeitlichkeit produziert für ihn das Absurde. Die Ereignisse innerhalb seines Lebens sind nur eine Additionskette, kausal oder zufällig gereiht, aber sie sind bedeutungslos für seinen Tod; sie machen ihn nicht sinnvoll." Innerhalb solcher Denkvoraussetzungen wird Philosophie der Hoffnung als Pseudophilosophie durchsichtig. Sinngefüge stellen sich als Sinn- Attrappen heraus. Ein Beispiel aus dem Stück etwa ist der Instanzenweg, den Senser zu Schumann durchlaufen muss: Das ist nur ein Ritual von Ordnung, nur die Simulation einer Sinn-Kette. . Was nun Senser angeht - er ist kein idealistischer Held. Seine Revolte gegen Schumann ist offenbar nur die Revolte gegen ein schikanöses Geschäft mit der Hoffnung; mit einem billigen dialektischen Trick lässt er sich am Ende nur zu gern ausmanövrieren, um sich wieder auf eine hoffnungslose Hoffnung einzulassen. - Umgekehrt zeigt Schumann die terroristische Reizbarkeit jeder Hoffnungs-Zentrale. Sensers "Geschichte" parodiert formal seine Lebensgeschichte. Zuletzt sein Tod wird sein ganzes Leben als sinnlose Additionskette ohne Bedeutungsgehalt erweisen, als absurdes Ablaufschema, das sich auf ihn abschreibt. Sensers hoffnungsloses Schaffen aber ist sein eigenes Schicksal, das z.B. Liebe oder Zuhausesein zur Illusion macht; beides wird Senser verwehrt. Das Ende des Stückes - Schumanns letzte Worte - die einen Sinn in Sensers Leben zu mogeln scheinen, - ist in Wahrheit nur eine sinnleere deklamatorische Mogelei. (Pressetext)

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel

Produktions- und Sendedaten

  • Westdeutscher Rundfunk 1968
  • Erstsendung: 17.07.1969 | WDR 1 | 64'30

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