Hörspielbearbeitung, Dokumentarhörspiel
Autor/Autorin:
Hans Magnus Enzensberger
Das Verhör von Habana
Vorlage: Das Verhör von Habana (Theaterstück)
Regie: Hans Gerd Krogmann
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Kurt Lieck Moderator Christoph Quest Varona Günther Sauer Ortega Herbert Fleischmann Rafael Rodriguez Matthias Fuchs Valdes Vivo Kaspar Brüninghaus Perez Garcia Alf Marholm Josef Andreu Santos Herbert Stass Ismael de Lugo Alois Garg Masseti Wolfgang Wahl Franqui Heiner Schmidt Felipe Rivero Diaz Horst Michael Neutze Ramon Calvino Insua Harald Meister Louit Irmgard Först Maria Elena Bodo Primus Morales Alwin Joachim Meyer Alvarez de La Campa Carmen Renate Köper Pilar Günter Dybus 1. Sprecher Klaus Eckert 2. Sprecher Hans Peter Thielen Soto Oswald Fuchs Jiménez
Der Versuch einer Truppe von Exilcubanern, im April 1961 durch eine
Landung an der "Schweinebucht" die Revolutionäre Regierung Cubas zu
stürzen, schlug fehl. Diesem Ereignis vorausgegangen waren: Der
Abbruch der diplomatischen Beziehungen der USA zur cubanischen
Regierung am 4.1.61. Es war dies eine der letzten Amtshandlungen
Dwight D. Eisenhowers. "In Cuba sieht es übel aus. Es ist gut möglich,
dass Sie dorthin Truppen schicken müssen", sagte er zu seinem
Nachfolger John F. Kennedy. Berichte über Invasionsvorbereitungen
hatten im Januar 1961 das Nachrichtenmagazin "Time" und die "New York
Times" publiziert. Kennedy schickte jedoch keine amerikanischen
Truppen nach Cuba. Am 12. April 61 gab er auf einer Pressekonferenz u.
a. folgende Erklärung ab: "Die Auseinandersetzung über die Zukunft
Cubas findet nicht zwischen den USA und Cuba, sie findet zwischen den
Cubanern selbst statt." Kurz nach der gescheiterten Invasion der
Exilcubaner am Strand von Girón verkündete Fidel Castro: "Die
Invasoren sind vernichtet. Die Revolution ist aus dieser Schlacht
siegreich hervorgegangen. Innerhalb von 72 Stunden hat sie eine Armee
vernichtet, die über viele Monate hinweg von der imperialistischen
Regierung der USA aufgebaut worden ist."
Wenige Tage später begann in einem Theatersaal der cubanischen
Hauptstadt das Verhör von Habana. Die Gefangenen wurden verpflegt,
ärztlich versorgt und mit Kleidern versehen. Dann lud man sie auf
Lastwagen und fuhr sie nach Habana. Sie haben dort, auf einem
öffentlichen Hearing, also keiner Gerichtsverhandlung, vier Nächte
lang dem cubanischen Volk Rede und Antwort gestanden. Das Verhör fand
nicht in einem Gerichtssaal, sondern vor den Mikrophonen und Kameras
statt; es konnte in ganz Nord-, Mittel- und Südamerika verfolgt
werden. Hans Magnus Enzensberger hat aus dem über 1000 Seiten langen
Tonbandprotokoll des öffentlichen Hearings aus 41 Verhören sechs
besonders charakteristische für die Funkfassung eingerichtet. Es ist
der Versuch einer dokumentarischen Rekonstruktion dieses historischen
Ereignisses.
"Die Befragung der Gefangenen von Playa Girón, die an vier April-
Abenden des Jahres 1961 in Habana stattgefunden hat, ist ein
exemplarischer Vorgang, das heißt, ein Vorgang, dessen Bedeutung über
seinen Anlass hinausgeht. Wenn ich vorschlage, ihn zu studieren, ja
sogar ihn zu wiederholen - als Rekonstruktion auf der Bühne, auf dem
Fernsehschirm oder im Rundfunk - , so habe ich dabei nicht seinen
lokalen Aspekt im Sinn. Als Material zum Verständnis der cubanischen
Geschichte lassen diese Dialoge sich nicht archivieren. Was das Verhör
von Habana zu einer unerhörten Begebenheit macht, was dem Dialog seine
eigentümliche Dichte, Durchsichtgkeit und Schwere verleiht, ist die
Situation, in der alle Beteiligten sich finden. Diese Situation ist
revolutionär. Dadurch ermöglicht sie überhaupt erst den Vorgang, mit
dem wir es zu tun haben. Eine herrschende Klasse lässt sich nämlich
nicht rückhaltlos befragen, bevor sie besiegt ist. Vorher stellt sie
sich nicht, legt keine Rechenschaft ab, gibt die Struktur ihres
Verhaltens nicht preis, es wäre denn indirekt oder aus Versehen: Als
Fehlleistung, als Indiskretion, im Zynismus der Eingeweihten, in der
Mehrdeutigkeit des falschen Zungenschlages oder in der naiven
Brutalität des Befehls. Erst wenn die Machtfrage gestellt ist, tritt
die ganze Wahrheit über eine Gesellschaft ans Licht. Die herrschende
Klasse kann nur als geschlagene Konterrevolution vollends zum Sprechen
gebracht werden." (Hans Magnus Enzensberger)
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk / Hessischer Rundfunk 1969
- Erstsendung: 29.01.1970 | WDR 3 | 108'13