Hörspiel
Autor/Autorin:
György Sebestyen
Parmenion
Regie: Günther Sauer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Kurt Lieck Parmenion Richard Münch Sitalkes Norbert Kappen Der Bote Jaromir Borek Ein Soldat Franz-Josef Steffens Menidas Michael Thomas Kleandros
In seiner jüngsten Arbeit, "Parmenion", unterzieht György Sebestyén
die beiden, aus dem "Hellenismus"-Begriff des Aristoteles abgeleiteten
Irrwege (den materiellen des Alexander und den geistigen des
Parmenion) einer dialogisch entfalteten Kritik. An dem historischen
Stoff interessiert ihn eine immer aktuelle Fragestellung, wie zum
Beispiel die Problematik der inneren Emigration, die letztlich der
Bestätigung bestehender Herrschaftsverhältnisse dient. Seit Jahren
schon beschäftigte ihn die Gestalt des makedonischen Feldherrn
Parmenion, der siegen konnte, ohne an den Sinn eines Sieges zu
glauben, ja, ohne eigentlich siegen zu wollen. "Wir neigen dazu",
erläutert der Autor in einem Vorspruch, "die Perfektion an sich der
eigenen Überzeugung unterzuordnen und opfern doch täglich die eigene
Überzeugung jener Perfektion. Parmenions Tragödie ist bloß ein
einziges Glied in der Kette ähnlicher Tragödien.
Im Jahr 356 v. Chr., in dem sein späterer König und Mörder, Alexander
der Große, zur Welt kam, war Parmenion bereits ein erfahrener,
siegreicher Feldherr, der auch unter Alexander weiter siegte,
allerdings ohne an die Notwendigkeit all der Schlachten und Siege
glauben zu können. Die Sicherheit Makedoniens war nicht mehr
gefährdet, Hellas war so gut wie vereint, die persische Macht
entschieden geschwächt. Hatte der weitere Kampf noch einen Sinn? War
es nicht gerade für Makedonien, für Hellas, lebenswichtig, mit den
besiegten Persern einen würdigen Frieden zu schließen?
Alexander befahl, weiter zu marschieren, immer weiter bis an das Ende
der Welt. Am Vorabend jeder Schlacht warnte Parmenion vor den Folgen
des Sieges. Endlich war Alexander des ewig Nüchternen müde. Nach dem
endgültigen Sieg über den persischen Großkönig Dareios ließ er den
alten Parmenion zurück, damit dieser die erbeuteten Schätze bewache.
Parmenions beide Söhne folgten freilich dem König. Der eine, Nikanor,
starb, der andere, Philotas, rebellierte. Die beinahe zeitgenössischen
Historiker - die späteren erst recht - lassen sich in diesem Punkt von
ihren hemmungslosen Sympathien leiten, denn die Quellen sind trüb.
Manche lieben Alexander und behaupten, Philotas sei ein Verschwörer
gewesen, den der König vernichten musste. Andere lieben Alexander
weniger und sagen, Philotas, der unglückselige Tropf, hätte bloß ein
wenig zu viel geredet. Und es gibt welche, die den Philotas geradezu
feiern, als Widerstandskämpfer gegen das Regime eines ständig
betrunkenen und manchmal auch ganz und gar besoffenen Königs, der um
sein 30. Lebensjahr herum plötzlich hinterlistig wurde, vielleicht
sogar verrückt, sonst krankhaft weich.
Tatsache ist, dass Alexander den Philotas nach einem Schauprozess
hinrichten ließ. Tatsache ist, dass danach der König auch den alten
Parmenion verurteilen ließ und die Vollstreckung des Todesurteils
seinen Offizieren überantwortete. Tatsache ist auch, dass sich
Alexander vor Parmenion fürchtete. Man könnte das so interpretieren:
Das Genie wehrte sich gegen die Verkörperung des Mittelmaßes. Man
könnte aber auch sagen: Parmenion ist der echte Träumer gewesen, der
Mann, der die Größe Makedoniens und die von Hellas wollte, gerade weil
er wusste, wo diese Größe ihren Kulminationspunkt erreicht. Wenn wir
aber in diesem Sinne annehmen, dass Parmenion ein Schwärmer war, dann
müssten wir auch glauben, dass Alexander die Größe seines Reiches bloß
an dessen Ausdehnung maß.
Fragen über Fragen. Man erwarte sich keine Antwort. Wir, deren Beruf
es ist, Hohlräume zu zeigen, - und nicht nur zu zeigen, sondern zu
bilden - können nur das Gleichnis einigermaßen gestalten. Wenn wir es
können. Wir versuchen es eben."

Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 1968
- Erstsendung: 09.04.1968 | WDR 2 | 55''30