Hörspiel
Autor/Autorin:
John Mortimer
Zwei Seelen, ach ...
übersetzt aus dem Englischen
Übersetzung: Hanns A. Hammelmann, Ruth Hammelmann
Regie: Heinz Wilhelm Schwarz
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Günther Ungeheuer Ich Walter Richter Vater Annelie Jansen Mutter Wilhelm Pilgram Professor Kurt Faber Professor Wolfgang Arps Filmregisseur Louise Martini Jane Hermann Lenschau George Heinz von Cleve Friedensrichter Maria Krasna Bill Kurt Lieck Richter Irmgard Först Roswitha Kraemer Ingrid Lammerding Margit Spielmeyer Karl-Heinz Bender Karl-Heinz Fiege Rudolf Kleinfeld-Keller Fritz Leo Liertz Klaus Mehrländer Josef Meinertzhagen Rudolf Melichar Ferdinand Muth Josef Quadflieg Hans-Peter Thielen
John Mortimer, von dem der WDR bisher die Hörspiele "Das Handgepäck",
"Der Privatdetektiv" und "Sie können's mir glauben" brachte, schreibt
über seine autobiographische Trilogie:
"Der Tod des Vaters bedeutet im Leben eines Mannes einen Augenblick
der Befreiung. Er tritt heraus aus seinem Schutz, um endlich - das
Lebensstadium zu beginnen, in dem die Schuld keinem anderen mehr
aufgebürdet werden kann als ihm selbst. Vor zwei Jahren, als ich das
an mir selbst erlebte, hielt ich die Zeit einer Selbstprüfung für
gekommen. Ich begann, über meine Vergangenheit nachzudenken und über
diejenigen, die geglaubt hatten, für meine Erziehung verantwortlich zu
sein, die mir nützliche Ratschläge gegeben und mich vor den Gefahren
des Lebens gewarnt hatten - Aufgaben, denen sich mein Vater, der
klüger und fauler war als sie, niemals unterzog. Ich bin Engländer,
vierzig Jahre alt. Vor dem Kriege war ich ein Kind und meine Lehrer,
meine Verwandten, Freunde und Feinde, die mich belehrten, abkanzelten
oder einschüchterten, sprachen von einer sicheren, exzentrischen und
selbstzufriedenen Mittelstandswelt, die für mich heute so weit
zurückliegt, wie der Hof von Versailles oder die letzten Tage Iwans
des Schrecklichen. Sie haben mich verlassen, der kalten,
unerbittlichen Gegenwart ausgesetzt. Nur ein Zipfelchen Toleranz und
Amüsement ist mir geblieben, vermischt mit einem absoluten Misstrauen
gegenüber denjenigen, die Ratschläge erteilen. Ich höre nun ihre
Stimmen, unwirklich, quälend, selbstzufrieden rufen sie ihre
Ratschläge in die verebbenden, langen Wege der Erinnerung. Über allen
aber höre ich, ununterbrochen, meines Vaters Stimme wie einen
Aufschrei, der sich aber nicht gegen das Universum auflehnt, das ihn
zur Blindheit verdammte, sondern nur gegen kalten Toast und weich
gekochte Eier.
.
Ich höre seine Plädoyers als Rechtsanwalt mit schöner Beredsamkeit,
oder ich höre ihn Geschichten aus seinem ereignislosen Leben erzählen,
die ihn hilflos lachen ließen, Tränen in seinen blinden Augen. Und da
ich vor allem Stimmen höre, habe ich diese Stücke für den Rundfunk
geschrieben. Sichtbare Akteure, alte Männer, die auf einer Bühne
knarren, oder Schatten auf einer Leinwand, würden meiner Absicht nicht
entsprochen haben. Und während ich auf die lange Zeit zurückblicke,
bin ich mir nicht sicher, ob alle diese Leute wirklich existiert
haben. Aber ich weiß, dass sie mit mir sprachen. Ihre Worte sind mir
im Gedächtnis haften geblieben. Und das ist es, was ich versuchen
wollte, darzustellen; etwas seltsame, zornige, komische und traurige
Töne aus einer englischen Kindheit, in einer Zeit, ehe die Welt sich
selbst wachgerüttelt hatte.
Wie diese Stücke beim deutschen Publikum aufgenommen werden, weiß ich
nicht. Ich kann nur hoffen, dass die Art, in der ich versuche, von
anderen verstanden zu werden, absolut Ihre Art ist. Mit meinen
autobiographischen Hörspielen habe ich versucht, mich in diese gefährliche Position zu begeben."
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk / Südwestfunk 1966
- Erstsendung: 11.05.1966 | 49'40