Hörspiel
Autor/Autorin:
Urs Widmer
Wer nicht sehen kann, muß hören
Regie: Heinz von Cramer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Maria Krasna Lydia Elisabeth Kuhlmann Alice Erika von Thellmann Babett Ruth Hellberg Lilly Alexander Knappik Susanne Daus Thomas Brückner Andreas Ernst
Dieses Hörspiel "der Ängste und Aggressionen" (Widmer) entwickelt sich
aus drei, wie es anfangs scheint, disparaten Ebenen. Die erste Ebene,
die in den Anfang-Sequenzen noch ein Stück plastischer Realität
vortäuscht, beginnt idyllisch, im "tiefen Frieden": Vier alte Damen
halten ihr "Teekränzchen" ab, bei Glockengeläute, Vogelzwitschern,
entferntem Kuhbrüllen, Grillengezirpe und einer allen vertrauten
Tango-Platte. Sie plaudern über Tee- und Kuchenrezepte, erzählen
einander eine Rossini- und eine leicht beunruhigende Märchen-Variante
aus Schneewittchen. Auf einer zweiten Ebene (re-)produzieren (d.h.
"lesen") vier Kinderstimmen Abenteuer-, Gangster- und Horror-
Literatur. In ihren Darstellungen dominiert das abstruse Detail, kommt
es zu merkwürdigen Überlagerungen, befremdlichen Exkursen und
Aufhebungen von Zusammenhängen.
Die dritte Hörspiel-Ebene konstituiert sich aus Geräuschen (wie
heiseren Atemzügen, grässlich lautem Fensterklirren,
Dachrinnenknirschen, Türschlagen) - Geräuschen, die die trügerische
Idylle der vier älteren Damen zerstören, ihre Gespräche verunsichern,
in grotesk anmutende Bahnen lenken und Panik auslösen. Diese Geräusche
signalisieren den Mord an zwei der in diesem Haus versammelten Damen.
Auch die Kinderstimmen, von den "Lesezwängen" befreit, wissen am Ende
Einzelheiten über diese Morde.
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 1969
- Erstsendung: 05.11.1969 | WDR 1 | 40'00