Bericht
Autor/Autorin:
Thomas Kretschmer
Vom Romanfragment "Der Mann ohne Eigenschaften" zum Remix
Ein Werkstattbericht
Technische Realisierung: Wilfried Hauer, Susanne Herzig
Realisation: Thomas Kretschmer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Thomas Kretschmer Andreas Neumann Heiko Ruprecht
In einer 20-stündigen Produktion bringt der Bayerische Rundfunk Robert Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" als Remix ins Radio. Gleichzeitig erscheint eine Edition mit dieser Audioversion und einer 450-seitigen Buchpublikation. Zwei Jahre dauerten die Arbeiten an diesem Projekt. Alleine an der Radio-Produktion sind 20 Schauspieler beteiligt, ein halbes Jahr lang arbeitete Regisseur Klaus Buhlert im Studio. "Der Mann ohne Eigenschaften. Remix" ist kein Hörspiel im klassischen Sinn. Stattdessen setzt die Produktion auf das Prinzip der offenen Form, um dem Charakter von Musils Hauptwerk gerecht zu werden. Der Roman ist Fragment geblieben: Zu Lebzeiten veröffentlichte Musil drei Teile, die einen Umfang von 1.600 Seiten haben. Nach seinem Tod im Jahr 1942 fand man seinen Nachlass zum "Mann ohne Eigenschaften", ein Konvolut von Mappen und Blättern mit insgesamt mehr als 6.000 Seiten. Doch erst eine 1992 erschienene CD-ROM machte den Nachlass zugänglich. Inzwischen ist eine erweiterte digitale Ausgabe der Werke Musils in Vorbereitung. Sie war eine wichtige Grundlage bei der Erstellung des Produktionsmanuskripts für den Radioremix, das in einem kontinuierlichen Prozess von zahlreichen Konzeptdiskussionen im Spannungsfeld zwischen künstlerischer Freiheit und wissenschaftlicher Genauigkeit entstand. Den Originaltext Musils, von Entwürfen und Skizzen bis zu veröffentlichten Passagen, ergänzen Originaltöne und Statements von Autoren, Kulturwissenschaftlern und Kennern seines Werks. "Die Gespräche bzw. Montagen aus diesen Gesprächen sind als Material ebenso relevant wie der Romantext selbst", heißt es in dem von Katarina Agathos und Herbert Kapfer zum Remix entwickelten Konzept. Auch die Regiearbeit von Klaus Buhlert ist auf den essayistischen Charakter von Musils Text wie auf das Prinzip der offenen Form ausgerichtet. Die zentrale Idee seines Konzeptes beschreibt er mit dem filmischen Mittel der subjektiven Kamera: "Das heißt, die Figur färbt, dadurch dass sie den Erzähltext zu großen Teilen übernimmt, plötzlich einen vom Autor mehr oder weniger neutral gehaltenen Erzähltext durch ihre Sichtweise, die sie aus der subjektiven Figur heraus gewinnt. Und das hebt die Figur dann aus dem epischen Rahmen eines Romans in einer solchen akustischen Umsetzung heraus. Die Figur wird eine handelnde dramatische Figur, stärker jedenfalls als im Roman beabsichtigt." Die Sendung von Thomas Kretschmer begleitet die Entwicklung des Projekts und gibt in weiteren Gesprächen mit Schauspielern und dem Regisseur Einblicke in die Entstehung der Produktion "Der Mann ohne Eigenschaften. Remix".
Weitere Informationen
Thomas Kretschmer, geboren 1974, arbeitet seit 1999 als Autor und Journalist für den Bayerischen Rundfunk. Er hat u.a. die folgenden Sendungen realisiert: "Hochzeiten" und "Generationen-Tristesse - Die neuen Seiten der jungen deutschen Literatur" (2000), "Das Märchen von Baader und Ensslin - Wie aus Geschichte Geschichten werden" (2001), "Große Worte, kleine Wirkung - Die Rolle der jungen Literatur in der Gesellschaft" (2002).

Produktions- und Sendedaten
- Bayerischer Rundfunk 2004
- Erstsendung: 20.12.2004 | Bayern 2 | 58'08