Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
Robert Musil
Der Mann ohne Eigenschaften. Remix (1. Teil)
Vorlage: Der Mann ohne Eigenschaften (Roman)
Bearbeitung (Wort): Katarina Agathos, Herbert Kapfer, Klaus Buhlert
Technische Realisierung: Hans Scheck, Wilfried Hauer, Susanne Herzig, Angelika Haller
Regieassistenz: Martin Trauner
Regie: Klaus Buhlert
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Manfred Zapatka Musil Ulrich Matthes Ulrich Susanne Wolff Clarisse Wolf Bachofner Stumm Ulli Maier Agathe Angela Winkler Diotima Josef Bierbichler Moosbrugger Ignaz Kirchner Fischel Wolfgang Hübsch Leinsdorf Sunnyi Melles Bonadea Achim Buch Lindner Nadine Geyersbach Rachel Michael Rotschopf Walter Peter Fricke Arnheim Dorothee Hartinger Gerda Jens Wawrczeck Soliman Gottfried Breitfuß Tuzzi Oliver Stern Friedenthal Felix von Manteuffel Meingast
Ein Remix im Radio eröffnet neue Zugänge zu einem großen Außenseiterwerk der Weltliteratur. Denn dieses Projekt zeigt den unbekannten "Mann ohne Eigenschaften": Sowohl die zu Lebzeiten des Autors veröffentlichten Romanteile, als auch der wissenschaftlich aufgearbeitete Nachlass Robert Musils bilden die Grundlage des Produktionsmanuskripts. Als kombinierte Audio-und-Print-Version erscheint der Remix in einer Gemeinschaftsausgabe von Hörverlag und belleville Verlag. Fast 20 Jahre lang arbeitete Robert Musil an seinem Romanfragment "Der Mann ohne Eigenschaften". 1930 wurde der erste Band veröffentlicht, 1933 folgte der zweite. Diese beiden Bände - von der Literaturwissenschaft als kanonischer Teil des "Mann ohne Eigenschaften" bezeichnet - umfassen zusammen schon mehr als 1.600 Seiten. Der literarische Nachlass, den man nach Musils Tod 1942 fand, umfasst über 6.000 Seiten. Geldmangel, Krankheit, politische Umstände und das Scheitern an den eigenen Ansprüchen - es gibt viele Gründe, warum der Roman unvollendet blieb. Dennoch hinterließ Musil ein Werk, das an literarischer Brillanz, sprachlicher Präzision, Ideenfülle und Identifikationspotenzial kaum zu überbieten ist. Sein essayistischer, in Exkurse zu Themen wie Logik, Gefühl, Philosophie, Utopie, Sexualität, Kausalität und Kontingenz ausufernder Erzählstil polarisiert noch heute die Kritiker. 1932 notierte Robert Musil: "Die Geschichte dieses Romans kommt darauf hinaus, dass die Geschichte, die in ihm erzählt werden soll, nicht erzählt wird." Dennoch ließe sich die verflochtene Handlung, die in "Kakanien" - Musils Terminus für die österreichische K. u. K.-Monarchie - kurz vor dem Ersten Weltkrieg spielt, wie folgt skizzieren: Ulrich, der Mann ohne Eigenschaften, nimmt nach drei erfolglosen Versuchen, ein bedeutender Mann zu werden, ein Jahr Urlaub vom Leben. Er gerät über Zufälle in den Salon von Diotima, Gattin des Sektionschefs Tuzzi, in dem eine vaterländische Aktion, die sogenannte Parallelaktion, geplant wird. Neben der Parallelaktion beschäftigt der Fall des Prostituiertenmörders Moosbrugger die Gemüter. Ulrich wird von Clarisse, die mit seinem Jugendfreund Walter in einer zerrütteten Ehe lebt, bedrängt, sich für die Begnadigung Moosbruggers einzusetzen, der in einem Irrenhaus auf seine Verurteilung wartet. Für das Anliegen von Clarisse, die selbst immer mehr dem Wahn verfällt, interessiert sich statt Ulrich General Stumm von Bordwehr, der bemüht ist, Ordnung in den Zivilverstand zu bringen. Nicht nur Clarisse versucht Ulrich, der sich aus allem heraushalten will, für ihre Sache einzunehmen, sondern auch Diotima, Graf Leinsdorf, Paul Arnheim aus der Parallelaktion, Bonadea, die gelegentliche Geliebte Ulrichs, sowie Bankdirektor Leo Fischel und seine Tochter Gerda. Die Handlung um Salon-Intrigen, Liebschaften und Politik wendet sich, als Ulrich am Grab seines Vaters seine Schwester Agathe wiedersieht, sich in sie verliebt, vor dem Inzest aber zurückschreckt. Der zweite Band endet abrupt mit einem Fest in Diotimas Salon, bei dem Musil alle seine Figuren auf einmal auftreten lässt. Man spricht von der drohenden Gefahr eines Krieges. Ulrich verkündet nebenbei seinen Ausstieg aus der Parallelaktion. Notizen und Entwürfe aus dem Nachlass zeigen, dass Musil vorhatte, mit der Inverssetzung aller Figuren dem Roman im Finale eine ganz neue Wendung zu geben. Der literarische Nachlass zum "Mann ohne Eigenschaften" ist jedoch über den Inhalt des Romans hinaus von großer Bedeutung. "Der Mann ohne Eigenschaften" wurde von Robert Musil nicht zu Ende geschrieben, die Produktion ist daher als Hörspiel in offener Form, als Remix konzipiert. Einzelne Kapitel bzw. Textsequenzen wurden im Hörspielstudio erzählerisch und szenisch realisiert: Die Stunden 1-11 bilden vorwiegend den kanonischen Teil ab, die Stunden 12-20 basieren auf dem vom Robert-Musil-Institut in Klagenfurt erforschten und textkritisch digitalisierten Nachlass. Auf wissenschaftlicher Grundlage berücksichtigt der Remix alle wichtigen Pläne und Entwürfe - zum Teil in Varianten -, die Musil bis zu seinem Tod für den Abschluss des Romans in Erwägung zog, und präsentiert damit erstmals eine künstlerische Darstellung des Schreibexperiments "Der Mann ohne Eigenschaften" in seiner Gesamtheit. In den Jahren 2003/2004 zeichnete der Bayerische Rundfunk Interviews, Gespräche und Statements von Kritikern, Musil-Forschern und Autoren auf, um diese im Remix als Material zu verwenden und zu den originalen Texten Musils in Bezug zu setzen. Die österreichische Dramatikerin Elfriede Jelinek schrieb für diese Produktion eine Paraphrase auf die Figur des Mörders Moosbrugger, die sie im Studio selbst einlas. Mit den in die Gegenwart überführten Fragestellungen findet Musils Essayismus, wie er den Roman kennzeichnet, eine aktuelle Entsprechung im Remix: "Das Vorher und Nachher ist nicht zwingend. Der Inhalt breitet sich auf eine zeitlose Weise aus." (Musil)
Weitere Informationen
Robert Musil (1880-1942) absolvierte nach der Ausbildung beim Militär ein Ingenieursstudium sowie ein Studium der Philosophie, Psychologie, Mathematik und Physik. 1908 folgte die Promotion. Von 1914 bis 1918 war er österreich-ungarischer Reserveoffizier, danach begann er eine Tätigkeit im auswärtigen Amt in Wien. Von 1931 bis 1933 lebte er in Berlin, danach in Wien, bis er 1938 über Zürich nach Genf emigrierte. Als Musils Hauptwerk gilt "Der Mann ohne Eigenschaften" (1930/1933). Daneben verfasste er u.a. "Die Verwirrungen des Zöglings Törless" (1906), "Die Portugiesin" (1923) und "Nachlass zu Lebzeiten" (1936).
Produktions- und Sendedaten
- Bayerischer Rundfunk 2004
- Erstsendung: 27.12.2004 | 11:00 Uhr | 56'15
Veröffentlichungen
- CD-Edition: Der HörVerlag 2004/2013
Auszeichnungen
- Hörspiel des Monats Dezember 2004
- Deutscher Hörbuchpreis 2005 Best of all
- hr2-Hörbuchbestenliste Januar 2005 (5. Platz)
- hr2-Hörbuchbestenliste Februar 2005 (2. Platz)
Rezensionen (Auswahl)
- Christian Deutschmann: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27.12.2004. S. 31.
- Tobias Lehmkuhl: Süddeutsche Zeitung. 31.12.2004. S. 26.
- Stefan Fischer: Süddeutsche Zeitung. 28.12.2004. S. 19.
- Stefan Fischer: Süddeutsche Zeitung. 15.11.2004. S. 19.
- Jutta Heess: Frankfurter Rundschau. 15.11.2004.
- Annika Müller: Tagesspiegel. 26.11.2004. S. 35.