Originalhörspiel

Autor/Autorin: Marie Luise Kaschnitz

Gespräche im All

Komposition: Michael von Biel

Regie: Ulrich Lauterbach

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Irmgard FörstSie
    Paul KlingerEr

Er fragt: "Woher bist du gekommen?" Von der Erde natürlich, antwortet sie, die diese Wiederbegegnung seit Jahren ersehnt hat. Eine Pritsche in einem Unfallwagen, das ist ihre letzte Erinnerung an jenes irdische Leben, das sie lange mit ihm geteilt hat. Er hat die Sprache, die unten gilt, fast vergessen; nur Erinnerungsfetzen dämmern ihm auf. Belangloses, mechanisch Gelerntes, Scheußliches, Schönes. Sie steht noch im Banne des Zaubers, den die Erde zu bieten hatte, im Banne des Glücks an seiner Seite. Nur schwer löst sie sich, zwischen fremden Sternen immer wieder von ihm getrennt und immer wieder mit ihm vereint, von ihren Erinnerungen an diese Erde. Marie Luise Kaschnitz verdichtet in diesem Hörspiel ihre großen Themen Liebe und Tod zu einem einzigen Dialog. Der Ort, das All, hat eine eigentümliche Beziehung zur Ortlosigkeit des Hörspiels, aber er ist auch für die Handlung von Bedeutung. So wie er alle Attribute des Raums verliert, übersteigt diese Liebe alle egoistischen Begrenzungen. "Gespräche im All" greift ein Thema auf, das Marie Luise Kaschnitz auch in vielen anderen Texten, Prosastücken wie Gedichten, angeschlagen und variiert hat: die endgültige und mit letzter Gewissheit ins Bewusstsein dringende Scheidung einer Ehe im Tod des Partners. Eine Frau folgt dem geliebten Mann fünf Jahre später im Sterben nach. Im Jenseits trifft man sich wieder. Doch während sie liebevolles Begegnen, zumindest ein Sich-Erinnern erwartet, erweist sich das Reich des Jenseitigen als eine Welt ganz anderer Struktur und Substanz. Selbst die Namen der Kinder sind verloschen. Zurück im Gedächtnis bleiben bestenfalls ein paar abstrakte Gegenstände, Geschichtszahlen, Deklinationen. Am Anfang scheint es noch einzelne gemeinsame Spuren zu geben. Doch der Entfremdungsprozess schreitet von Stufe zu Stufe fort, als vergingen Jahrhunderte in Minuten; schließlich verlieren auch die letzten Worte ihren konkreten Bezug, verblassen, entleeren sich - bis zum endgültigen Verstummen.

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel

Produktions- und Sendedaten

  • Hessischer Rundfunk / Norddeutscher Rundfunk 1966
  • Erstsendung: 25.01.1967 | hr2 | 60'45

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