Originalhörspiel, Science Fiction-Hörspiel

Reihentitel: Prozesse der Zukunft

Autor/Autorin: Hans Kasper

Das dritte Auge

Regie: Werner Klein

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Gerd BaltusRené Dalange/Richter/Anwalt/Verteidiger/Angeklagter
    Werner ReinkeSprecher
    Maria Madeleine GalmMargarethe
    Werner KleinFelice

Ein Proband sieht seinen Tod und den seiner Familie bei einem Seilbahnunglück voraus, ohne zu versuchen, das Geschehen abzuwenden. In seinem Aufsehen erregenden Tagebuch berichtet der Ingenieur Rene Dalange von seiner Teilnahme an einem bewusstseinserweiternden Experiment zum Nachweis der Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Trennvorgänge des Ablaufs in Stunden und Metern erweisen sich nur als menschliche Maßstäbe; in Wahrheit geschieht alles überall und immerzu. Nachdem der Kontrollmechanismus im Gehirn außer Kraft gesetzt ist, der alles, was geschieht, in zeitlichem Nacheinander und räumlichem Hintereinander erlebbar macht, überschreitet das Bewusstsein eine Schwelle, jenseits der Vergangenheit und Zukunft vor dem gegenwärtigen Auge geschehen. Wie aus Dalanges Aufzeichnungen hervorgeht, hat er die unvermutete Reise mit seiner Frau und seiner Tochter in die Berge, die verhängnisvolle Seilbahnfahrt und den Absturz der Gondel bis ins Detail vorausgesehen, ohne das Geringste dagegen zu unternehmen. Mit dem Morgeneintrag vor der Bergfahrt bricht das Tagebuch in dieser Form ab. Doch Dalange hat weitergeschrieben. In einer fiktiven Gerichtsverhandlung über das Unglück, das dann schließlich doch nicht geschehen ist, sieht er sich selbst als Richter, Ankläger, Verteidiger und Angeklagter. Warum hat er nicht versucht, einen anderen Weg zu gehen, obwohl er der festen Überzeugung war, dass er mit seiner Familie den Tod finden würde? Es scheint, als sei der Verlust an Gewissen und Moral der Preis für eine Fähigkeit, die unmenschlich ist. Wer aus dem normalen Wahrnehmungsbereich heraustritt, verliert automatisch jene Bremskräfte, welche erst ein menschliches Miteinander ermöglichen. Es gibt eine Übereinkunft zwischen dem Bestehenden, dem Gewesenen und dem Kommenden, die, einmal eingegangen, nicht verletzt werden darf. Würde man visionär Vorhergesehenes nicht geschehen lassen - brächte man da nicht alle Relationen des Lebens durcheinander? Die Menschheit ist an einer hochbrisanten Schwelle angelangt und muss sich fragen, ob sie das Recht hat, alle ihr innewohnenden Möglichkeiten auszuschöpfen.

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel

Produktions- und Sendedaten

  • Hessischer Rundfunk 1973
  • Erstsendung: 06.10.1973 | hr2 | 45'40

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