Ars acustica
Autor/Autorin:
Christoph Korn
Kontemplation I
Hörstück zum Online-Projekt "Waldstueck"
Redaktion: Manfred Hess
Dramaturgie: Manfred Hess
Technische Realisierung: Maximilian Marcoll, Hannes Seidl
Realisation: Christoph Korn
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Ellen Schulz Sonstige Mitwirkende Christoph Korn
Die Hörstücke "Ich spreche diesen Text" und "Kontemplation I-III" von Christoph Korn stehen im Kontext des von hr2-Hörspiel produzierten Online-Projektes "Waldstueck.net". Dort ist seit dem 5. Februar 2008 eine 24-stündige O-Ton Aufnahme eines Waldstückes bei Dachau zu hören. Sie wird über einen Zeitraum von 3 Jahren automatisiert und zufallsgesteuert sukzessive gelöscht. Was nach 3 Jahren bleiben wird, ist 24 Stunden Stille. Die kurzen textgebundene Radiostücke verwenden ebenfalls Löschprozesse als ästhetische Strategie gleichsam vor dem Hintergrund der Online-Installation, die der Hörer parallel zu den Hörstücken laufen lassen kann und sollte. Diese Arbeiten zwischen Bildender Kunst und Hörspiel stellen sich auf radikale und meditative Weise der Frage nach der Auslöschung von Geist und Materie angesichts des Kultur- und Zivilisationsprozesses, den man Geschichte nennt. Strukturell gerahmt wird das Stück "Ich spreche diesen Text", das den Arbeitsvorgang theoretisch als Material vorstellt, von drei "Kontemplationen" zu je neun Minuten. Ihr Thema der Körperbeschreibung verwendet eine repetitive Textstruktur, die dem der Form des Gebets entlehnt ist. "Das Löschen ist mir ein poetisches, kontemplatives gleichermaßen wie ein politisches Verfahren. Poetisch insofern, als es Dinge wegnimmt oder verbirgt und die Erzählung in einen puren Vorstellungsraum verlängert. Kontemplativ als repetitive, dauernde, durchwachte Zeit, als Hervorholen und Ablegen - dann als Erinnertes - und in dieser Zeiterfahrung dem Begriff der Trauerarbeit ähnlich. Politisch, insofern die Entwicklung der Löschverfahren sich durchaus etwa von Adornos Begriff der 'instrumentellen Vernunft' oder von Martin Bubers Kategorie des 'Ich-Es' inspirieren ließ. D.h. Löschen als ein kleiner, partikularer Versuch Bewegungsformen von Akkumulation, Systematisierung, Verwertung, Macht- und Wissensbildung durch Daten in den Hintergrund treten zu lassen, zugunsten einer Strategie des Löschens/Wegnehmens/Entziehens/Verbergens. Zum Beginn meiner künstlerischen Arbeit stellte sich nicht die Frage, ob ich etwas zum Thema Konzentrationslager oder Holocaust sagen sollte; das implizierte, dass ich mir irgendwann die Frage stellte. Ich stellte fest, dass ich nichts darüber sagen kann. Aber natürlich hat meine Arbeit 'Waldstueck' etwas damit zu tun." (Christoph Korn)
Weitere Informationen
Christoph Korn, Jahrgang 1964, lebt in Düsseldorf und Frankfurt a.M. Er arbeitet als Musiker, Hörspielmacher und bildender Künstler an der Schnittstelle von Audiokunst und Konzeption. In den letzten Jahren vor allem steht die Auseinandersetzung mit Sprache, Zeit und audiobasierten analogen und maschinell erzeugten Löschprozessen im Zentrum. Für das hr2-Hörspiel hat er u.a. die netzbezogenen Hörstücke www.hyperghetto.de (gemeinsam mit Oliver Augst) und www.Sorge und Kapitalismus.de realisiert.

Produktions- und Sendedaten
- Hessischer Rundfunk / Deutschlandradio 2009
- Erstsendung: 11.02.2009 | hr2-kultur | 9'32
Rezensionen (Auswahl)
- Jochen Meißner: Die Abwesenheit des Radios. In: Funk-Korrespondenz. 06.03.2009. S.32.