Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
James Joyce
Dubliner (1. Teil: Die Schwestern / Eine Begegnung)
Vorlage: Dubliner (Roman, englisch)
Übersetzung: Dieter E. Zimmer
Redaktion: Katarina Agathos, Herbert Kapfer
Technische Realisierung: Wilfried Hauer, Susanne Herzig
Regieassistenz: Stefanie Ramb
Regie: Ulrich Lampen
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Karin Anselm in "Die Schwestern" Peter Fricke in "Die Schwestern" Christian Friedel in "Die Schwestern" Peter Fricke In "Eine Begegnung" Paul Herwig In "Eine Begegnung"
"Und zuallererst lese man die Dubliner. Es ist die einzige Möglichkeit, das Werk eines der größten Schriftsteller zu verstehen." So beurteilt T.S. Elliot das erste Prosawerk des irischen Dichters und Schriftstellers James Joyce. Zunächst war Joyce und den Dubliner allerdings wenig Erfolg beschieden: Der Protest der Leser auf die ersten drei im "Irish Homestead" abgedruckten Erzählungen war so stark, dass die vierte Geschichte von der Redaktion der Zeitschrift abgelehnt wurde. Die 15 Erzählungen gelten heute als bester Zugang zum Gesamtwerk von Joyce und verweisen thematisch auf sein Hauptwerk Ulysses, das zunächst als eine weitere Geschichte der Dubliner geplant war. Dublin, die Heimatstadt des Autors, mit der ihn zeitlebens eine Hassliebe verband, ist Schauplatz der Erzählungen, die lose nach dem Zyklus eines Lebens - von Kindheit über Jugend hin zu Alter bzw. Aspekten des öffentlichen Lebens und schließlich bis zum Tod - angeordnet sind. Dargestellt wird die Welt des kleinen bis mittleren Bürgertums, motivisch geprägt von Versuchen des Aufbruchs. Die Erzählungen sind arm an äußerer Handlung, es geht dem Autor um eine differenzierte psychologische Darstellung der Charaktere, um ihre Innensicht. Entsprechend arbeitet er größtenteils mit dem Stilmittel der erlebten Rede, die als Vorläufer des inneren Monologs zu erkennen ist, wobei er die Erzählsprache den wechselnden Figuren anpasst und feinste Nuancen verschiedener Sprechweisen abbildet. Joyce experimentiert mit dem Prinzip der Andeutung und der indirekten Mitteilung, mit Wort- und Kontext-Ellipsen. Fast alle Erzählungen brechen relativ abrupt ab und lassen den Leser in einer Art Schwebezustand zurück. Diese offenen Enden sowie ein Geflecht an wiederkehrenden Motiven, die die einzelnen Erzählungen miteinander verbinden, lassen eine Vielzahl von Interpretationen zu.
In der ersten Kurzgeschichte mit dem Titel "Die Schwestern" stirbt der Pater James Flynn infolge des dritten Schlaganfalls. "Jeden Abend, wenn ich zu dem Fenster hinaufsah, sagte ich leise das Wort Paralyse vor mich hin", schreibt der Ich-Erzähler, ein junger Freund des Paters. Der Pater stirbt geistig verwirrt, was eine Folge der Schlaganfälle sein kann, es wird jedoch auch angedeutet, dass er psychisch krank war.
Im Mittelpunkt der zweiten Kurzgeschichte "Eine Begegnung" stehen die ambivalenten Gefühle eines Jungen, der sich voller Faszination und Abscheu zugleich von den Ansichten und der Stimme eines vermutlich pädophilen Mannes fesseln lässt. Zwei Schulkameraden schwänzen gemeinsam den Unterricht, um einen Ausflug zu machen. Sie treffen auf einen Mann, der die beiden in ein Gespräch verwickelt, das die Themen Sexualität und Gewalt umkreist. Die Jungen reagieren auf unterschiedliche Weise: während der eine Desinteresse zeigt und mit dem Vorwand, eine Katze zu jagen, leicht der Situation entkommt, kann sich der andere nur schwer losreißen, obwohl der Kern des Gesprächs für ihn unverständlich bleibt.
Weitere Informationen
James Joyce wurde 1882 in Dublin geboren. 1888 trat er ins Jesuiteninternat Clongowes Wood ein und wechselte zunächst ans Belvedere College, später dann ins University College, an dem er 1902 seinen Abschluss machte. 1904 begann er mit der Arbeit an "Stephen", "der Held" und der ersten "Dubliner"-Erzählung. Außerdem brach er mit Nora Barnacle nach Triest auf. 1905 erschienen weitere "Dubliner"-Erzählungen. 1906 ging Joyce als Bankangestellter nach Rom. Dort verfasste er die "Dubliner"-Erzählung "Die Toten". 1907 kehrte er nach Triest zurück. Zu dieser Zeit begann sein lebenslanges Augenleiden. Er veröffentliche seinen Gedichtband "Kammermusik" und 1914 die "Dubliner". 1915 floh er nach Zürich und 1918 entstand der Vorabdruck von "Ulysses", der am 2.2.1922 in Paris erschien. 1923 begann er mit der der Arbeit an "Finnegans Wake". 1924 erschien ein Ausschnitt aus "Finnegans Wake", der 1926 stark kritisiert wurde und eine Schaffenskrise bei Joyce auslöste. 1931 heiratete er Nora Barnacle. 1934 wurde "Ulysses" vom Vorwurf der Pornographie freigesprochen. 1939 erschien "Finnegans Wake". James Joyce starb 1941 in Zürich.
Produktions- und Sendedaten
- Bayerischer Rundfunk 2012
- Erstsendung: 26.02.2012 | 46'46
Veröffentlichungen
- CD-Edition: Der Hörverlag 2012
Auszeichnungen
- hr2-Hörbuchbestenliste Juni 2012 (1. Platz)
Rezensionen (Auswahl)
- Matthias Heine: Eiskalter Realismus. In: Die Welt 14.04.2012, S. 7.
- Eva-Maria Lenz: Denkstacheln. In: epd Medien 23.03.2012, S. 34.
- Stefan Fischer: Mitunter boshaft – Mikrokosmos Dublin: Ein Hörspielprojekt des BR. In: Süddeutsche Zeitung 25.02.2012, S. 21.