Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Guy Compton
Zeitbelichtung
übersetzt aus dem Englischen
Übersetzung: Hanns A. Hammelmann
Technische Realisierung: Roeske, Knopf
Regie: Oswald Döpke
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Lina Carstens Flora Hilde Körber Henrietta Rolf Schult Der Untermieter Heinz Drache Bamford
Zwei schrullige alte Damen, wie sie im englischen Unterhaltungshörspiel zu Hunderten mit ihren echten und eingebildeten Vergangenheiten auf mehr oder minder gutem Fuß leben, die Schwestern Henrietta und Flora, machen einander den lieben langen Tag schwer. Die resolute Flora stimmt herzzerreißend falsch das Klavier; Henrietta – sehr zerbrechlich, in ihrer Einfalt aber noch Reste früherer Intelligenz bewahrend – spielt ausgiebig die Rolle der von der Pflegerin Verfolgten. Doch auch, wenn sie unter dem Tisch sitzt, ist sie sich bewußt, daß "Würde etwas Innerliches ist, eine geistige Haltung, keine körperliche".
Plötzlich macht Henrietta ihre Schwester darauf aufmerksam, was für einen Tag sie heute
mit so unnützem Tun vertrödeln: Vor genau siebenundzwanzig Jahren ist Henriettas
Verehrer Bamford für immer abgereist, und seit siebenundzwanzig Jahren gehen die
Schwestern an diesem Tag stets zum Bahnhof, um in einem Spiel das Endgültige nicht
ganz so endgültig sein zu lassen. Bevor sie aufbrechen, erscheint allerdings ihr junger
Untermieter und bittet um einen Rat. Statt einer Antwort muß er sich Henriettas Theorie
anhören, derzufolge Bamford nicht zurückkam, weil Flora den Abschiedsmoment im Foto
"verewigte". Auf dem Bahnhof angekommen, nimmt Henrietta – das Foto in der Hand –
genau die damalige Abschiedsposition an der Bahnsteigkante ein. Und siehe da: der Zug
mit Bamford läuft (in ihrer Fantasie) rückwärts in die Halle. Henrietta und Bamford (mit der
Stimme des Untermieters) wiederholen nun die Abschiedsrepliken von damals in
umgekehrter Reihenfolge, vom Einsteigen in den Zug angefangen bis zum damaligen
Betreten des Bahnhofs. Das Spiel scheitert mehrmals, weil Bamford die Worte nicht findet
(und nicht finden kann), die es Henrietta ermöglichen, immer noch auf Bamfords
Heimkehr in ihre Arme zu hoffen. Endlich aber meint Henrietta, solche Worte doch zu
hören. Sie verdrängt die Erkenntnis, daß Bamford abreiste, weil er sich weder für
Henrietta noch für Flora entscheiden wollte, und der Abschied kann nun wieder "vorwärts" bis zum Einsteigen und Abdampfen des Zuges ablaufen. – Flora bereitet Henriettas Träumen ein Ende und führt sie vom Bahnhof zurück in die Welt gemeinsamen Alterns. (Aus "Reclams Hörspielführer")
Produktions- und Sendedaten
- RIAS Berlin 1967
- Erstsendung: 29.03.1967 | 44'01