Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Ulrike Haage, Mark Ravenhill
Rete Mirabile | Wundernetz
Ein Singspiel
Komposition: Ulrike Haage
Dramaturgie: Frank Halbig
Musik: Christina Andersson (Sopran), Regina Jakobi (Alto), Daniel Steiner (Tenor), Jonas Böhm (Bass), Almut Lustig (Percussion; Marimbaphon; Vibraphon), Brigitte Haas (Percussion; Marimbaphon; Vibraphon)
Regie: Ulrike Haage
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Stefan Kaminsky
Ein Rete mirabile (lateinisch: Wundernetz) ist eine Verzweigung
einer Arterie in ein Geflecht aus feinsten Arterien,
das sich anschließend nicht zu einer Vene, sondern
wiederum zu einer Arterie vereinigt. Bei Fischen dienen
Wundernetze als Gegenstrom-Wärmeaustauscher der
Thermoregulation.
Seit drei Jahren erschafft das Modellprojekt »Kunst/
Natur. Künstlerische Interventionen im Museum für
Naturkunde Berlin« mit Interventionen aus den Sparten
Bildende Kunst, Klangkunst und Literatur einen Experimentalraum
für die Wechselwirkungen von Kunst,
Museumspraxis und Naturforschung. Das kuratorisch
von Gaby Hartel initiierte Singspiel bezieht sich inhaltlich
wie räumlich auf die Nasssammlung des Hauses.
Die Uraufführung fand im Februar 2018 im Naturkundemuseum
statt. »System Erde« beginnt mit der musikalischen Aneignung
des Raums Erde durch vier Sänger, einem Marimbaphon,
Xylophon, Glockenspiel und Perkussion. Der
Museumsraum beginnt »zu sprechen«, erhält sein eigenes
Lied. Die anschließende Expedition verbindet den
Raum Erde mit der Nasssammlung. Hier nimmt »Rete
mirabile« Bezug auf das Wasser als Erinnerungsträger,
aus der Tiefe eines anderen Elementes heraus. Das Libretto
von Mark Ravenhill spielt mit Auszügen aus der
Abhandlung »Vampyroteuthis infernalis« des Medienphilosophen
und Kommunikationswissenschaftlers
Vilém Flusser über das Welterleben des Vampirtintenfisches,
welches er als eines dem menschlichen [Er]Leben
radikal entgegengesetztes präsentiert. Die Mikro-Oper
bewegt sich zwischen den antipodalen Welten der Fauna
und der Homines, zwischen Illusionsraum [Kunstwerk] und Erinnerung [Museum]. Die Nasssammlung wird
zum Bühnenbild für die Performance der SängerInnen
und Musikerinnen. Mit »Wundernetz« trifft eine künstlerische
Fiktion auf die poetische Welt des Museums
für Naturkunde. Eine poetische Welt ist der Versuch, im
Sinnkontinuum Bezüge zu sehen, die über dasselbige
hinaus Bedeutung haben. Bedeutung als Hoffnung, dass
in allem, was in uns Spuren hinterlässt, etwas ist, über
das wir keine Macht haben. Das wir evozieren, aber nicht
beherrschen. Wie würde die Welt aussehen, wenn man
sie mit den Augen der Bewohner der Meere sehen würde,
des Vampyroteuthis Infernalis, den Flusser einen geborenen
Kantianer nennt? Das Geheimnis und das Neue sind
miteinander verwandt.
»Wundernetz« entstand im Rahmen von »Kunst/Natur.
Künstlerische Interventionen im Museum für Naturkunde
Berlin«, ein Modellprojekt in Kooperation mit der
Kulturstiftung des Bundes.
Weitere Informationen
Ulrike Haage, geboren 1957 in Kassel, lebt als Pianistin,
Komponistin und Hörspielmacherin in
Berlin, arbeitet an der Schnittstelle von
Jazz, Avantgarde, klassischer Musik und
Literatur. Für ihre grenzüberschreitenden
Arbeiten wurde sie 2003 mit dem Deutschen
Jazzpreis ausgezeichnet.
Mark Ravenhill, geboren 1966 in Haywards Heath/UK, lebt
als Dramatiker, Dramaturg und Regisseur
in London, schreibt neben Theaterstücken,
Drehbüchern und Hörspielen auch
für den Guardian. Sein Stück »Shopping
and Fucking« lief nach seiner Uraufführung
im Londoner West End und wurde
ein weltweiter Erfolg.


Produktions- und Sendedaten
- Südwestrundfunk / Deutschlandradio 2018
- Erstsendung: 05.04.2018 | SWR2 | 22:03 Uhr | 50'30
Rezensionen (Auswahl)
- Stefan Fischer: "Im Wundernetz". In: Süddeutsche Zeitung Nr. 78 vom 5.4.2018. S.31.
- Rafik Will: Mensch und Tintenfisch. In: Medienkorrespondenz vom 20.4.2018. S. 39.