Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Friedrich Wolf
S.O.S. rao rao Foyn - "Krassin" rettet "Italia" (Mai bis Juli 1928)
Hörspiel in 20 Szenen
Komposition: Walter Goehr
Regie: Alfred Braun
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Hans Rameau Funker Roma - Sao Paolo, Zappi Peter Ihle Funker des Expeditionsschiffes 'Città di Milano', Sekretär, Ausrufer, Der Vorsitzende, Blumenstein Meinhart Maur Funker Leningrad, Petrow, Breinkopf, Samoilowitsch Robert Aßmann Funker New York, Ausrufer, 3. Stimme, Matrose Jugo Schuster Erster Redakteur, Ponomarew, Mariano Fritz Ritter Zweiter Redakteur, 2. Stimme, Matrose, Möller Manfred Fürst Trojani, Ausrufer, 2. Alpino Richard Duschinski Biagi Elsa Wagner Mutter Karl Heinz Stroux Nikolai, Matrose Ernst Busch Fjodor, Meskin, Schelagin, Oras Erwin Kleist Ausrufer, Sprecher, Babuschkin, Funker, Matrose Bruno Fritz Ausrufer, Kapitän Tschertkow, Eggi Karl Haas Ausrufer Walter Fried Professor, Ausrufer, Behounek Günther Hadank Kommissar, Viglieri Gillis van Rappard Alpino Josef Bunzl 1. Stimme, Aleksejew Otto Kronburger Tominik, Straube Hans Sternberg Matrose, Meier Alfred Braun Sprecher Viktor Heinz Fuchs Pasalke Fritz Alten Ausrufer Gustav von Wangenheim Tschuchnowski
Teilnehmer an der Expedition der "Italia" - Redakteure - Funksprecher - Straßenpassanten - Kaffeehausgäste - Verschiedene andere Stimmen
1. Überfällig: 26. Mai 1928, 20 Uhr, Funkstation Rom Sao Paolo
2. Nachtredaktion im Tageblatt
3. Eisscholle: treibend auf 80° 50' nördl. Breite / 27° 15' östl. Länge am 31. Mai 1929
4. Russisches Dorf Voznesenskoje im Gouvernement Wjatka
5. Straße in Berlin
6. Funkstation Rom, Sao Paolo
7. Wissenschaftliche Abteilung beim Kommissariat des Äußeren in Moskau
8. Das "Rote Zelt" auf der Eisscholle
9. Funkstation Rom, Sao Paolo
10. Arbeiterrat eines Eisenwalzwerks bei Leningrad
11. An Bord des Eisbrechers "Malygin" vor Kap Leig Smit, Position 78° 55' Nord, 34° Ost
12. Berichte der Prawda
13. Café Telschow am Bahnhof Zoo, Berlin
14. Das "Rote Zelt" auf der treibenden Eisscholle
15. Große Eisscholle bei der Halbinsel Wrede am 10. Juli 1928
16. An Bord des "Krassin" 80° 39' Nord, 26° 27' Ost, 12. Juli 1928, 17 Uhr
17. Funkstation Christiania
18. Eisscholle mit "Rotem Zelt" der "Italia"-Gruppe
19. Eisscholle bei der Insel Brook, Abend des 15. Juli 1928
20. Zwei Briefe von "Italia" zum "Krassin"
Das Hörspiel "S.O.S. ..." von Friedrich Wolf, dem Stuttgarter Arzt, der als Dichter mit seinen Bühnenstücken "Der arme Konrad", "Kolonne Hund" und neuerdings in Berlin mit "Zyankali" ungewöhnliche Erfolge hatte, behandelt die Rettung des verunglückten arktischen Luftschiffunternehmens der "Italia", das im Jahre 1928 unter Führung des in seiner Haltung vielumstrittenen Kapitäns Nobile vonstatten ging und einen katastrophalen Ausgang nahm. Das Spiel - ursprünglich als eine Synthese von Bühne, Funk und Film gedacht - wurde verfaßt, weil - wie Wolf sagt - der Stoff hierzu förmlich herausforderte. Der Vorwurf des Spiels mit seinen vielfach wechselnden Schauplätzen (es handelt sich um deren zwanzig), kommt dem Wesen des Funkkunstwerks in hohem Maße entgegen. Wir vernehmen die Hilferufe der neun Mann der überfälligen "Italia" auf der Eissscholle, von dem heldenhaften Funker Biagi unentwegt in den Äther hinausgefunkt. Wir werden Zeuge des vergeblichen Bemühens sämtlicher großer Funkstationen, eine Verbindung mit der Italia herzustellen. Wir belauschen den dörflichen russischen Amateurbastler Nikolai Schmidt bei der Aufnahme des verstümmelten Hilferufes "S.O.S. ... Rao Rao ... Foyn". Wir vernehmen aufatmend die Funkverständigung der im Eise Eingekerkerten mit den Funkstationen der ganzen Welt, ihre Radiomeldung der täglich sich verändernden geographischen Position der treibenden Eisscholle mit dem Roten Zelt. Wir erleben die mißglückte Rettungsaktion des Eisbrechers "Malygin" und werden Zeugen des erfolgreichen, schwierigen Durchbruchs des stärksten Eisbrechers der Sowjetunion, des "Krassin", den der russische Flieger Tschuchnowski von seinem Katapultflugzeug aus glückhaft dirigiert. Wir erleben damit - nach des Dichters eigenen Worten: "wohl das erste Heldenlied unserer Zeit, unserer Technik, unserer Solidarität." Nicht der Impuls eines Übermenschen, nicht das "Ethos" eines Religions- oder Staatsgedankens hat dies Rettungswerk ermöglicht, sonder die von der Technik beflügelte Solidarität der Völker. Ohne einen Tag zu zögern, hat ein politisch völlig anders gerichtetes System: die Union der Sowjetrepubliken, dem gegnerischen System: dem Fascio, brüderlich geholfen. Und diese Hilfe wurde nur möglich durch das modernste Nachrichtenmittel: Durch das Radio!" (R. R. (Rudolf Rieth): Die Werag, 4. Jahrgang, Heft 44, 03.11.1929, S. 19-21)
"Das Stück ist kein Drama im Sinne des normalen, aktmäßig aufgebauten Bühnenstückes. Es ist eine Reihenfolge von kleinen Szenen, Gesprächen, Radiomeldungen, eine szenische Reproduktion des wirklichen Geschehens der Rettung der Nobile-Mannschaft durch den russischen Eisbrecher 'Krassin'. Eine neue Form des spezifisch akustischen Hörspiels." ("Der Deutsche Rundfunk". 7. Jahrgang. Heft 44. S. 1404)
"Dies Spiel - eine Synthese von Bühne, Funk und Film - wurde geschrieben, weil der Stoff hierzu herausforderte. Die Tragödie des Luftschiffs 'Italia', das vergebliche Suchen sämtlicher großen Funkstationen, die Aufnahme des verstümmelten Hilferufes: 'SOS ...rao rao ...Foyn' durch den selbstgebastelten Kurzwellenapparat des Amateurfunkers Nokolai Schmidt in einem einsamen Dorf im Norden der Murmansk ist wohl das erste Heldenlied unserer Zeit, unserer Technik, unserer Solidarität" (Friedrich Wolf)
"Zum erstenmal brachten fast alle Sender innerhalb einer Woche die Aufführung des gleichen Hörspiels, und man merkte den Programmen an, daß jede Station darin d a s Ereignis der Woche sah. Der starke Eindruck, den das Manuskript von Friedrich Wolf offenbar bei den leitenden Stellen hinterließ, läßt sich ohne weiteres verstehen. Hier hat ein Dramatiker den Rundfunk sehr aufmerksam beobachtet und einen aktuellen Stoff gefunden, dessen Grundgedanke mit dem Rundfunk eng zusammenhängt. "Krassin rettet Italia": wenn der Kampf um die Rettung der Nobile-Expedition den Rohstoff eines Hörspiels ausmacht, kann der Pol mit seiner Anziehungskraft keine Rolle spielen. Denn "Nacht und Eis" sind höchstens für den Film ein Motiv; der Nordpol selbst verlor längst seine Romantik und wurde zum geographisch astronomischen Problem. Bleibt also für das Hörspiel die Organisation der Hilfe, die Zusammenarbeit mit den technischen Mitteln: die Eisbrecher "Malygin" und "Krassin", das Junkersflugzeug, das den Weg zeigt, und vor allem die Nachrichtentechnik. Ein paar verstümmelte Morsezeichen setzen über einen russischen Kurzwellenamateur alle Großfunkstationen der Erde und neue Hilfsexpeditionen in Bewegung. Der Funkverkehr im Aether, durch das Hörspiel dargestellt, also "Rundfunk im Rundfunk" - darin liegen nicht weniger dankbare Möglichkeiten wie in dem Trick "Theater im Theater", den das Drama von Gryphius bis Molnar (Spiel im Schloß) ausgiebig verwendet. Friedrich Wolf kommt es jedoch auf den einen Grundgedanken an, die Herrschaft des Menschen über die Technik, ihre künftigen Möglichkeiten in den Händen überstaatlicher Organisationen zu zeigen. Sein Optimismus braucht eine Stilisierung der Vorgänge, und was an Amundsens Urteil und Schicksal erinnert, muß natürlich notgedrungen beiseite bleiben. Wie jedoch die Dokumente, Funksprüche und Dialoge konzentriert sind und trotzdem die Bewegung durch ganz Europa spiegeln, darin ist der Dichter von "Cyankali" zu erkennen. Jede Szene treibt die gemeinsame Arbeit von Mensch und Technik weiter und bleibt dabei nur ein Teil des großen europäischen Dramas, das für Friedrich Wolf den Auftakt einer neuen Gesellschaftsepoche repräsentiert. [...]" (N. N.: Der Deutsche Rundfunk, 7. Jg., Heft 46, 15.11.1929, S. 1465)
"Uraufführung der Woche: "SOS ... RAO RAO ... FOYN ... "Krassin" rettet "Italia", von Friedrich Wolf. Eine lange Reihe mehr oder minder geglückter Hörbilder brachte die Tragödie der Männer im "Roten Zelt" erneut zu Bewußtsein. Im ganzen ein beachtenswerter Versuch, Ereignisse der Vergangenheit zu aktualisieren. Am überzeugendsten die Szene aus dem Arbeiterrat der Putilow-Werke. Hier fühlte man den Ethos eines Dichters. Der weltverbindene Gedanken der Hilfsbereitschaft gab allen Szenen höheren Antrieb, als die funkische Gestaltungskraft des Autors. Alfred Braun zog als Spielleiter alle Register seiner reichen Erfahrung. Die Aufführung der Berliner Funkstunde hatte, im Gegensatz zu der auswärtiger Sender, hohes Niveau." (Die Sendung, 6. Jg., Nr. 46, 15. 11.1929, S. 770)
Weitere Informationen
Das Hörspiel wurde am 5. November 1929 über die Sendestationen in Königswusterhausen, Frankfurt, Kassel, Stuttgart, Freiburg, Breslau, Gleiwitz, München, Nürnberg, Augsburg und Kaiserslautern ausgestrahlt. Am 8. November wurde es gesendet aus Berlin und Köln, Aachen, Langenberg, Münster, Königsberg und Danzig.
Der im Deutschen Rundfunkarchiv aufbewahrte Tonträger (14 einseitig bespielte Schellackplatten) bezieht sich wahrscheinlich auf die Aufnahme vom 8. November (dieses Datum wird jedenfalls im Katalog der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft als Aufnahmedatum angegeben).
Es ist nicht abschließend geklärt, ob es sich bei den Berliner Sendungen am 5. November und am 8. November um zwei verschiedene Realisationen desselben Hörspielmanuskripts handelt, also um zwei Live-Sendungen, wobei die zweite aufgezeichnet wurde.
Insgesamt ist die Quellenlage sehr unübersichtlich und widersprüchlich. Während Berlin, Stuttgart und Frankfurt das Hörspiel am 05.11.1929 um 20:30 Uhr ausstrahlten, wurde es in München um 21:10 Uhr gesendet. Ob es sich um dieselbe Inszenierung gehandelt hat und wie eine zeitversetzte Ausstrahlung möglich war, bleibt unklar. Die Programmzeitschrift "Der Deutsche Rundfunk" gibt für die Münchener Sendung "Rudolf Hoch" als Regisseur an. In der Bayerischen Rundfunkzeitung ist von "Uraufführung (gleichzeitig mit d. Sendern Berlin und Breslau)" die Rede (Bayerische Rundfunkzeitung, 4. Jg., Nr. 45, 03.11.1929, S. 14). Für Breslau (Schlesische Funkstunde) wird Franz-Joseph Engel als Bearbeiter und Spielleiter genannt (wohingegen die Programmzeitschrift "Schlesische Funkstunde" von einer "Übertragung aus Berlin" spricht; siehe: Schlesische Funkstunde, 3. Jg., Heft 44, 03.11.1929, S. 9). Am 08.11. nennt die Programmzeitschrift Rudolf Rieth als Regisseur der Kölner Sendung und Gustav Kneip als Komponisten. Ob diese Angaben verlässlich auf unterschiedliche Realisierungen des Manuskripts deuten, kann letztlich nicht eindeutig geklärt werden. Auch die Rezensionen lassen keinen unanfechtbaren Schluss zu, auch wenn die Besprechung in der "Sendung" auf unterschiedliche Inszenierungen des Stoffes deuten. Daher werden zumindest die Sendungen aus Köln und München (bei denen auch die Uhrzeiten von der Berliner bzw. Königswusterhausener Fassung abweichen) hier als (mögliche) verschiedene Fassungen zusätzlich in der ARD-Hörspieldatenbank dokumentiert.
Produktions- und Sendedaten
- Deutsche Welle GmbH (Berlin) / Funk-Stunde AG (Berlin) 1929
- Erstsendung: 05.11.1929 | 20:30 Uhr | ca. 60'00
Livesendung ohne Aufzeichnung
Grundlage der Datenerhebung: Der Deutsche Rundfunk (Programmzeitschrift); Schlesische Funkstunde (Programmzeitschrift); Die Funkstunde (Programmzeitschrift); Bayerische Radio-Zeitung (Programmzeitschrift); Die Sendung (Programmzeitschrift)
Rezensionen (Auswahl)
- Sti. (Felix Stiemer): "Hörspiel um Nobile". In: Der Deutsche Rundfunk, 7. Jg., Heft 46, 15.11.1929, S. 1465.
- Siehe auch die "Programm-Einleitung" in: Der Deutsche Rundfunk, 7. Jg., Heft 44, 01.11.1929, S. 1401
- Der Deutsche Rundfunk, 7. Jg., Heft 44, 01.11.1929, S. 1399f. (Abdruck einer Szene aus dem Manuskript)