Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Ludwig Marcuse, Ernst Schoen
Flaubert vor dem Staatsanwalt
Ein Sittenprozeß aus dem 19. Jahrhundert
Hörspiel in sieben Szenen
Regie: E. Kurt Fischer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Wilhelm Walter Curt Baumgarten Margarete Anton Cläre Christen Hans Freyberg Oskar Berger Herbert Schall Harry Langewisch Lina Carstens Walter Kiesler Hans Zeise-Gött
"Vor den Schranken des Gerichts hat sich am 7. Februar 1856 der junge französische Dichter Gustaf Flaubert wegen seines Erstlingswerks, des Romans 'Madame Bovary', zu verantworten. Es soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Ehebruch verherrlichen, in religiöser Beziehung Anstoß erregen und den allgemeinen Begriffen der bürgerlichen Moral zuwiderlaufen, weil es gewisse delikate Szenen zu realistisch ausmale. Diesen Anklagepunkten hält der Verteidiger, ein Freund Flauberts, dessen ihm bekanntes Naturell entgegen, in dem sich Ernst, Meditation und Trauer vereinigten. Er entwickelt mit zwingender Logik, daß es niemals zur Anklage hätte kommen können, wenn die Anklagebehörde das ganze Werk im Zusammenhang gelesen hätte. So habe man sich in bequemer Manier an einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Textstellen gehalten, die eine angeblich laszive Tendenz des Werkes ergeben sollten. In der Verhandlungspause, während das Gericht berät, hören wir ein Gespräch zwischen dem Angeklagten, Victor Hugo und dem Kritiker Sainte Beuve. Schließlich verkündet das Gericht das unendlich verklausulierte, auf der allen Weltanschauungen gerecht werdenden Kautschuk-Basis von Wenn und Aber, Einerseits und Andererseits fußende, immerhin freisprechende Urteil. Die Szene blendet von dieser Urteilsverkündung über in unsere Gegenwart, wo der Zensor, der Preisdichter und der Kritiker ihre Betrachtungen über das Urteil anstellen. Und darum wird dieses Hörspiel in der Kategorie der 'Lehrstücke' einzureihen sein." (N. N.: Der Deutsche Rundfunk, 8. Jg., Heft 28, 11.7.1930)

Produktions- und Sendedaten
- MIRAG - Mitteldeutsche Rundfunk AG (Leipzig) 1930
- Erstsendung: 21.07.1930 | 19:00 Uhr
Livesendung ohne Aufzeichnung
Grundlage der Datenerhebung: Der Deutsche Rundfunk (Programmzeitschrift)