Hörspielbearbeitung

Autor/Autorin: Aleksandar Tisma

Der Gebrauch des Menschen (1. Teil)

Vorlage: Upotreba čoveka (Roman)
Übersetzung: Barbara Antkowiak
Bearbeitung (Wort): Stefan Kanis
Komposition: Tommy Neuwirth, Mario Weise
Bearbeitung (Musik): Michael Hinze

Regie: Stefan Kanis

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/Sprecherin
    Jördis Trauer
    Oscar Hoppe
    Birte Schnöink
    Werner Wölbern
    Franz Hartwig
    André Kaczmarcyk
    Alexander Khuon
    Max Hegewald

Was hilft es zu überleben, wenn man nicht vergessen kann? Alles scheint im Leben der Halbjüdin Vera Kroner auf diese Frage hinauszulaufen. Ende der 1930er Jahre ist sie ein junges Mädchen in Novi Sad. Sie ist in dieser Stadt, gelegen an einem Donauknie in der Bačka, der Tiefebene zwischen Serbien und Ungarn, aufgewachsen. Nun tönt bereits der Vorkrieg durch die Straßen. Serben, Ungarn und Deutsche machen sich die Lufthoheit streitig. Dazwischen, schon in der Defensive, viele Menschen jüdischen Glaubens. Für Vera eine doppelte Herausforderung: Der Vater ist Jude, die Mutter eine Donauschwäbin. Seit der frühen Kindheit laviert sie durch ein wildes Gemisch von Sprachen und Idiomen, Wünschen und Überlieferungen. Sie erkämpft sich eine fast normale Jugend; geprägt vom spröden Reiz der Tanzstunden, von Küssen in Toreinfahrten und der Verunsicherung ob des sich scheinbar stündlich wandelnden Körpers. Als die deutsche Wehrmacht Jugoslawien 1941 besetzt und Ungarn als Verbündeter die Bačka annektiert, beginnen für sie Jahre der Isolation. Zwar wird das Handelsgeschäft des jüdischen Vaters einem Kommissar unterstellt, aber noch immer gibt es eine Hausangestellte, die den Kindern das Frühstück bringt. Was bleibt ist das Warten auf eine Zukunft, die kaum anderes als den Untergang bereithalten kann. Im Mai 1944 ist es so weit: Deutschland besetzt das abtrünnige Ungarn und die Deportationen beginnen. Veras Familie wird nach Auschwitz verschleppt. Sie selbst überlebt das Lager als Zwangsprostituierte. Ein Jahr später, nach der Befreiung des Lagers, kommt sie nach Novi Sad zurück. Aber was hilft es, zu überleben, wenn man nicht vergessen kann? Sie ist umstellt von der gierigen Lebensfreude der Davongekommenen, die sich mit den Vorboten des titoschen Kommunismus und neuen Repressionen paart. Was soll sie hier? Wo ist ihr Platz? Vera driftet ohne Anker durch die Jahre, ein wenig Halt findet sie allein bei ihrem Jugendfreund Sredoje, der als ehemaliger Partisan ähnlich entwurzelt durch die Nachkriegszeit streift. Als er sie einmal fragt, ob sie sich denn mit all dem Grauen im Lager habe abfinden können, erwidert sie: „Sicher habe ich mich abgefunden, ich bin ja am Leben“.

Weitere Informationen
Aleksandar Tišma wurde am 16.01.1924 in Novi Sad geboren. Die Elternkonstellation ähnelt der seines Romans: Der Vater war ein serbischer Kaufmann christlichen Glaubens, die Mutter Jüdin. Darüber hinaus existiert eine Reihe weiterer Parallelen zu Handlungselementen des Romans, so lernte auch Tišma, wie die Hauptfiguren seines Romans, Deutsch bei einer Privatlehrerin. Dass sich an das Abitur anschließende Studium konnte Tišma wegen des Krieges nicht beenden, er schloss es 1954 in Belgrad mit einem Diplom in Anglistik ab. Danach arbeitete er als Lektor und Redakteur; seine Bücher erschienen ab den 1970er Jahren in Serbien und in deutscher Sprache ab 1991. Sie gewannen in den herausragenden Übersetzungen Barbara Antkowiaks schnell eine breite Leserschaft. Besondere Resonanz erzielten neben „Der Gebrauch des Menschen“ (1991), „Kapo“ (1997) und „Treue und Verrat“ (1999). Sein Werk gilt heute als Teil der Weltliteratur; Tišma gelang es exemplarisch, die individuelle und intergenerationelle Last, die kriegerische Gewaltexzesse und die Shoa in den Menschen hinterließen, erfahrbar zu machen. Tišma starb am 16.02.2003 in Novi Sad.

Werner Wölbern
© NDR
Werner Wölbern © NDR

Produktions- und Sendedaten

  • Mitteldeutscher Rundfunk / Norddeutscher Rundfunk 2025
  • Erstsendung: 28.04.2025 | MDR KULTUR | 20:03 Uhr | 51'00

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