Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Dana von Suffrin
NIEWIEDERGUT oder Darf jetzt wirklich ein Jude der König von Bayern sein?
Komposition: Enik
Redaktion: Katja Huber
Technische Realisierung: Jan Piepenstock, Regine Elbers
Regieassistenz: Jakob Roth
Regie: Christiane Huber
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Brigitte Hobmeier Erzählerin André Jung Auerbach Steven Scharf Dr. Kaminiecki Timocin Ziegler Anklage Judith Toth Frau Ertl Philip Froissant Wache Karolina Lodyga Frau 1 Jelena Kuljić Frau 2 Vincent Sauer Bote Johanna Kappauf Schwester Enik Pförtner
München, 1950 – die Stadt ächzt noch unter Kriegstrümmern, die Not ist noch groß, aber Deutschland ist immerhin endlich erfolgreich entnazifiziert. Oder?
Die Tausenden Holocaust-Überlebenden, die sich noch in München befinden, schickt man aufs Bayerische Landesentschädigungsamt in der Arcisstraße, wo sie sich um Entschädigungszahlungen oder finanzielle Hilfe für die geplante Ausreise nach Israel oder die USA bemühen. Herr über das Amt ist Philipp Auerbach (1906 in Hamburg - 1952 in München): Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte. Er selbst ist jüdischer Überlebender aus Hamburg und führt das Amt so unbürokratisch, wie es die Herausforderungen der Zeit verlangen. Auerbach gilt als einer der wichtigsten Politiker seiner Zeit und als prominentester deutscher Jude.
Doch das Blatt wendet sich bald gegen ihn: 1951 wird er Opfer eine Kampagne, angeführt von CSU-Justizminister Josef Müller, der als Rechtsanwalt während der NS-Zeit selbst an „Arisierungen“ mitwirkte. Auerbach wird schließlich von ehemaligen NS-Justizbeamten angeklagt, die ihm Betrug und Veruntreuung vorwerfen. Tatsächlich
arbeitete Auerbach zwar chaotisch, aber äußerst engagiert, er setzte sich nicht nur für überlebende Jüdinnen und Juden, sondern auch für "erotisch verfolgte" Frauen und verfolgte Roma ein. Dabei überschritt er gelegentlich rechtliche Kompetenzen.
Auerbach verzweifelt über die Anklage und die Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Gefängnisstrafe den NS-Geist der jungen Bundesrepublik und eine mediale Hasskampagne, so dass er sich 1952 das Leben nimmt. 1954 wird Auerbach rehabilitiert.
Der Fall Philipp Auerbach gilt heute wegen seiner Tragik als deutsche Dreyfus-Affäre und zeigt beispielhaft die politische und soziale Situation des Nachkriegs, in Auerbachs Biographie spiegelt sich die ganze Epoche, in der nichts “wieder gut“ wurde.
Weitere Informationen
Dana von Suffrin, geb. 1985 in München, Schriftstellerin und Historikerin. Promotion 2017 über ein wissenschaftshistorisches Kapitel des frühen Zionismus. Romane, Erzählungen, Essays, Theatertexte und Hörspiele. Zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt Tukanpreis (2024) und Chamisso-Preis (2025). Sie lebt in München. Weitere BR Hörspiele: Otto (2021), Blut (2022) Unter Uns (2024).

Produktions- und Sendedaten
- Bayerischer Rundfunk 2025
- Erstsendung: 23.09.2025 | Bayern 2 | 20:03 Uhr | 64'06
Rezensionen (Auswahl)
- Stefan Fischer: "Auerbachs Keller", in: Süddeutsche online vom 26.09.2025.