ARD-Hörspieldatenbank

Originalhörspiel, Dokumentarhörspiel



Ernst Schnabel

Der 29. Januar 1947


Technische Realisierung: Rudolf Meister, Gabriele Stoll


Regie: Ludwig Cremer

Ernst Schnabel  bat während des Winters 1946/47 über den Sender die Hörer: jeder möge ihm seinen Tagesablauf am 29. Januar 1947 brieflich schildern, damit er aus allen Zuschriften das authentische Bild eines Tages in Deutschland während jenes harten Nachkriegswinters schaffen könne. Die 35.000 Zuschriften, die er dann unter Mithilfe einer Gruppe von Studenten als [...], fügte er mit Gewissenhaftigkeit zu einem Panorama zusammen, das sowohl formal als auch inhaltlich bemerkenswert wurde: sozusagen ein sozialanalytisches Monumentalbild der Nachkriegsnot.

Das Hörspiel-Feature besteht aus einer Folge winziger Szenensplitter. Die Schicksale der (mehr leidenden als handelnden) Personen, die in ihnen auftreten, werden im Laufe der Sendung immer wieder in neuen Szenenandeutungen verfolgt - und zwar mit dem Wechsel der Tageszeiten. Die eigentliche »Handlung« ist nämlich das Verstreichen eines Tages genau von Mitternacht zu Mitternacht: des 29. Januar 1947. Dies wird klar dadurch, daß mehrere Sprecher (Erzähler) die jeweilige astronomische, meteorologische, kosmische usw. Situation während dieses grimmig kalten Tages zwischendurch immer wieder zur Kenntnis bringen, wobei sie zugleich die Szenchen und Schicksale kommentierend verbinden. - Die Fülle der dargestellten Vorgänge kann in Kürze nicht beschrieben werden. Das Stück hat mehr als hundertfünfzig Stimmen, ungezählte Handlungen klingen darin an, in denen es fast stets um nackte Not, um Essen und Wärme und um die tröstende Kraft der Liebe zwischen den Geschlechtern geht. Zusammenfassend ist folgendes zu sagen: Schnabel hatte sich Anfang Januar 1947 an die Hörer des NWDR gewendet und sie gebeten, ihm brieflich ihre Erlebnisse am Stichtag, dem 29. Januar, mitzuteilen. Fünfunddreißigtausend Briefe gingen ein. Schnabel schrieb aus den darin enthaltenen Angaben, die er mit Hilfe von Lekoren - Studenten - registrierte, die Szenen. Es handelt sich also um poetisch rekonstruierte Schnappschüsse der Wirkichkeit während der schlimmsten Notzeit im Winter 1946 bis 1947. Darum wird das Werk als Dokument seine Bedeutung wohl immer behalten. Ob das Stück als Hörspiel oder als Feature angesehen wird, hängt weniger von seiner Form ab, die durchaus hörspielartig genannt werden kann, als vielmehr von seiner Entstehung und seiner Absicht, Wirklichkeit zu dokumentieren. Entscheidend für die Beantworung der Frage ist, ob man den Akzent darauf legt, daß in dem Text nur berichtet - oder daß in ihm auch dichterisch gestaltet wird. - Schnabel hat den gleichen Versuch, mit Hilfe von Hörerbriefen einen Tagesablauf zu beschreiben, 1950 noch einmal unter dem Titel "Ein Tag wie morgen wiederholt". 1950 ergaben sich sogar achtzigtausend Zuschriften. Da jedoch die Ausnahmesituation damals bereits vorüber war, dürfte die Sendung von 1947 heute und in Zukunft die interessantere sein. Der 29. Januar wurde später auch unter dem Titel "Nachkriegswinter" wiederholt. (Text aus Reclams Hörspielführer. Hrsg. von Heinz Schwitzke. Stuttgart 1969. S. 536f.)

Zur Beteiligung von Thekla Ahrens, Wilhelm Kürten und Else Theel gibt es widersprüchliche Angaben. Ihre Mitwirkung kann letztlich nicht einwandfrei bestätigt werden.

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Mitwirkende

Sprecher/Sprecherin
Georg Eilert
Marga Maasberg
Erich Weiher
Josef Dahmen
Marianne Wischmann
Renate Densow
Inge Meysel
Gisela Mattishent
Wolfgang Arps
Willy Schweissguth
Gustl Busch
Manfred Steffen
Hans-Conrad Goeseke
Rudolf Fenner
Hans Quest
Louise Dorsay
Karin Jacobsen
Walter Klam
Liselotte Willführ
Viola Wahlen
Kurt Meister
Erna Nitter
Heinz Ladiges
Karl-Heinz Jage
Hilde Krahl
Ida Ehre
Heinz Scheider
Hermann Schomberg
Thekla Ahrens
Wilhelm Kürten
Else Theel
Hanni Hagel-Appelt
Horst Klausnitzer
Richard Helsing
Hans-Werner Siem
Manfred Lotsch
Helga Scholefield
Lotte Fischer-Klein
Barbara Linau
Charlotte Kramm
Tilla Hohmann
Carl Voscherau
Karl Kramer
Gertheinz Böning
Hanns Karl Kubiak
Erik Dulz
Lilly Osmarr
Mary Werner
Gertrude Berry
Horst Becker
Harry Oemig


 

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

Nordwestdeutscher Rundfunk 1947

Erstsendung: 16.05.1947 | 72'30


VERÖFFENTLICHUNGEN

  • Kassetten-Edition: Ernst-Klett-Verlag 1988

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