Hörspiel
Autor/Autorin:
Werner Wilk
Der Karikaturist und das Wunder
Regie: Hanns Korngiebel
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Ingeborg Wellmann Netti Hans Söhnker Martin Zünderer Reinhold Bernt Andreas Oberberg Klaus Kammer Erwin Oberberg Emil Surmann Sondermann
Es gibt sicherlich nicht viele Menschen, denen noch niemals der Zufall oder das, was wir Zufall nennen - begegnet ist, jene wie von guten oder bösen Kräften herrührende Einwirkung oder Einmischung, mit der wir uns auf unerklärliche Weise dem Glück oder dem Unglück gegenübergestellt sehen. Wem in äußerst bedrängter, ja auswegloser Lage solch ein Zufall helfend beispringt, wie es dem Zeichner Martin Zünderer in unserem Hörspiel vor zwanzig Jahren geschah, dem mag das wohl wie ein Wunder vorkommen, wie eine Hilfe des Himmels. Aber Zünderer - oder Mazün, wie sein bekannt gewordenen Pseudonym lautet - begnügt sich damit nicht. Er ist ein Mensch mit einem Gewissen. Was ihm lange als Wunder erschien, die buchstäblich 'gefundene' Hilfe, die ihn aus aller Gefahr und ins Ausland, zu Ansehen und Erfolg brachte, kann auch etwas ganz anderes gewesen sein, eine Prüfung, in der er versagte, eine simple Fundunterschlagung, durch die er sich mit Schuld belud. Er kehrt endlich nach Deutschland zurück, und auch die Kellnerin Netti, der er sich anvertraut, bestätigt ihm das 'Wunder' nicht. Er fühlt sich nun, da auch ein Unbeteiligter gesprochen hat, erst recht schuldig, er fühlt sich gedrängt, die unbekannte und dunkle Seite jenes wunderbaren Vorfalls aufzuklären und sein Vergehen wiedergutzumachen, denn was ihm einst half, muß einem anderen geschadet haben. Und von diesem Andern kannte er all die Jahre nur den Namen. Was er nun vorfindet, hat er sich so nicht vorgestellt und nicht vorstellen können. Es rechtfertigt nachträglich Nettis Vorschlag und Forderung, das Geschehene nicht aufzurühren, mit der Wiedergutmachung, der Rückgabe, anonym zu bleiben. Wie sich ihm das Wunder in Schuld wandelte, so wird ihm die Verpflichtung, das einst Gefundene zurückzugeben, ungeachtet der erpresserischen Forderungen, zur auferlegten Busse. Er habe, sagt er sich, dafür zu zahlen, daß es ihm in den zwanzig Jahren besser erging als seinen Landsleuten, sehr viel besser als jenen, die seinetwegen Schaden erlitten. Für Netti sind beide Begriffe, Wunder und Schuld, Extreme, äußerste, entgegengesetzte Grenzpositionen, die der Wirklichkeit, die irgendwo dazwischenliegt, nicht entsprechen. So greift sie ein und verändert damit die Situation Zünderers entscheidend. Der Konflikt, den das Hörspiel behandelt, versucht, zwischen dem Wunderbaren des Lebens und dem Schuldigwerden, das mit ihm gekoppelt ist, die Mitte, also die Möglichkeiten und die Grenzen des menschlichen und sinnvollen Verhaltens in beiden Richtungen zu finden.
Produktions- und Sendedaten
- RIAS Berlin 1956
- Erstsendung: 16.05.1956 | RIAS 1 | 85'35