Hörspiel
Autor/Autorin:
Heinz Oskar Wuttig
Columbushaus
Technische Realisierung: Gerhard Neumann
Regie: Hanns Korngiebel
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Reinhold Bernt Paul Edith Schollwer Trude Walter Bluhm Oskar Gerda Harnack Gerti Heinz Giese Otto Eduard Wandrey Polier Robert Klupp Oberregierungsrat Hans-Albert Martens Baron Aenne Bruck Dame Harry Langewisch Mendelsohn Reinhard Kolldehoff Becker Herbert Weissbach SS-Offizier Ursula Krieg Blumenfrieda Trudl Baumbach Dagmar Biener Sybille Bugge Ingrid Lüneburg Eva-Maria Müller Margot Rampelmann Anneliese Würtz Joachim Boldt Herbert von Boxberger Wolfgang Conradi Fritz Daniger Kurt-Otto Fritsch Max Grothusen Klaus Herm Roland Kaiser Werner Kessel Serge Knuth Joachim Nottke Paul Paulschmidt Gerd Peiser Hans Peters
Da steht der alte Heizer Paul auf der westlichen Seite des Potsdamer Platzes zu Berlin und schaut hinüber über die Grenze. Drüben - ein paar Schritte weiter - wird die Ruine des Columbushauses ausgeschlachtet. Gerade legt man den verrosteten Kessel aus dem Heizungskeller frei. Das ist ein Stück von Pauls eigener Lebensgeschichte - dieser alte Heizungskessel. Vor 25 Jahren, als das Columbushaus von Erich Mendelsohn gebaut wurde, hat Paul hier Arbeit bekommen. Als Rohrverleger gab's nichts zu tun in der Zeit der Notverordnungen, da wurde Paul eben Heizer. Und er war glücklich mit Trudchen und den Kindern. Das Columbushaus war ein strahlender Neubau, ein Hochhaus mit neun Stockwerken, mit Büros und Läden ... und auf dem Berliner Asphalt das Verkehrsgewühl des Potsdamer Platzes. Oskar, der Oberkellner vom Josty geraderüber, war ein Freund der Familie und kam jeden Tag. Man hatte wieder einen festen Verdienst und ging mit den Kindern in den Zoo. Aber der Feuerschein des brennenden Reichstages spiegelte sich auch in den Fenstern des Hochhauses. Und bald gingen die Schaufensterscheiben jüdischer Geschäfte zu Bruch. Pauls Bruder Otto, der fanatische Gewerkschaftler und Kommunist, mußte flüchten. Herr Mendelsohn selbst, der das Haus gebaut hatte, durfte keinen Platz mehr in Deutschland haben. Paul hörte in seinen Heizkellern Schreie gefolterter Menschen. Die Gestapo war unheimlicher Mieter dieses Hauses geworden. Es gab auch Schwierigkeiten und Anwürfe von dem neuen Verwalter des Hauses, weil Paul nicht in der Partei war. Und eines Tages sangen die Luftschutzsirenen auf dem Dach ihr grausiges Lied. Längst war der Stand der Blumenfrieda vor dem Hause leer geworden. Es gab keine Lebensfreude mehr und keine Blumen. Pauls Kinder wurden in der HJ zur Wehrtüchtigkeit erzogen. Und eines Tages kam der Zusammenbruch. Bomben und Artillerie hatten nur ein Gerippe stehen lassen. Wüste war rings um den Potsdamer Platz. Die HO improvisierte einen Laden. Die Kugeln des 17. Juni pfiffen durch die Scheiben, und dann ging auch diese Ruine noch einmal in Flammen auf. Paul und Oskar, der Oberkellner, hatten keine Hoffnung mehr auf die Wiederkehr des Columbushauses und des Josty. Trudchen hatte sich schon früher auf den Weg ins Jenseits gemacht. Was bleibt für einen alten Heizer ... ein paar Mark Rente und die Erinnerung angesichts ist leer. Die letzten Reste des alten Hauses verschwinden. Und was wird nun sein...? Aber noch ist Berlin ja gespalten.
Produktions- und Sendedaten
- RIAS Berlin 1956
- Erstsendung: 26.09.1956 | RIAS 1 | 89'13