ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung
Die Bürger von Calais
Vorlage: Die Bürger von Calais (Theaterstück)
Technische Realisierung: Klaus Penzel, Sonnenberg
Regie: Rudolf Noelte
Der Chronist Froissart erzählt in seiner 'Chronique de France' von jenem denkwürdigen Ereignis aus dem Jahre 1347, als der König von England fast ganz Frankreich besiegt hat und nur die Hafenstadt Calais sich noch widersetzt. König Eduard fordert Unterwerfung, willigt dann aber ein, daß 'sich aufmachen sechs der vornehmsten Bürger, barhäuptig und nackten Fußes, nur mit einem Hemd angetan, den Henkerstrick um den Hals und die Schlüssel von Stadt und Kastell in den Händen. Mit denen will ich tun nach meinem Willen'. Danach sollen Stadt und Bevölkerung verschont bleiben. So habe sich dann - vermeldet die Chronik - der reichste Bürger, Eustache de Saint-Pierre, zuerst gemeldet für diesen Bußgang und die anderen aufgefordert, ihm zu folgen. Sechs vornehme Männer, Mitglieder des Rates, treten am nächsten Morgen den Weg ins englische Lager an, die Forderung des Siegers zu erfüllen. König Eduard empfängt sie hart und läßt den Henker neben sie stellen, und schließlich schenkt er ihnen doch das Leben. 'Er hörte auf seine Gemahlin', sagt Froissart, 'weil sie sehr schwanger war'. Der Dramatiker Georg Kaiser greift rund sechshundert Jahre später diesen zutiefst bewegenden Vorgang auf. Seine Dichtung nimmt zu den sechs historischen Bürgern einen siebenten mit hinein in das Geschehen. Einer also muß jetzt zurücktreten, um die genaue Forderung des Königs zu erfüllen. Aber keiner erklärt sich dazu bereit, denn er will nicht zum Mörder der anderen werden. Aus diesem unlösbar scheinenden seelischen Konflikt erlöst sie der Würdigste, Eustache de Saint-Pierre. Er erklärt: 'So muß einer von uns führen - ich bringe euch aus dem Wirbel und ans Ende'. In dieser Nacht nimmt er den Giftbecher. Die verbleibenden sechs schreiten bei Morgengrauen aus dem Tor. Sie hören die Begnadigung, und sie tragen die Leiche des toten Eustache vor die Stufen des Altars zu Calais, als sie erfahren, daß der König von England an diesem Tage einen Dankgottesdienst abhalten wolle. Er wird - wenn er vor dem Altar betet - vor seinem Überwinder knien müssen.