Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
Joseph Brodsky
Marmor
Vorlage: Mramor (Theaterstück, russisch)
Übersetzung: Peter Urban
Bearbeitung (Wort): Hanns Zischler
Technische Realisierung: Peter Kretschmann, Elke Kellermann
Regieassistenz: Waltraud Heise
Regie: Hanns Zischler
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Jürgen Holtz Tullius Fritz Lichtenhahn Publius
"Hoch über der Erde, in einem luxuriös ausgestatteten, hermetisch abgeriegelten Gefängnisturm sitzen zwei zu lebenslänglicher Haft verurteilte Männer mittleren Alters. Sie heißen Tullius und Publius und sind 'römische' Bürger in einem universellen, antikisch drapierten Imperium der Zukunft. Tullius und Publius reden über die ersten und letzten Dinge (und selbstverständlich über alles, was dazwischen liegt), sie streiten und versöhnen sich, schweifen ab, werden vulgär und beleidigend und, scheinbar unvermittelt, gedankenvoll und poetisch. Sie reden (und fechten) miteinander im Bewußtsein, bis zu ihrem jeweiligen Lebensende aufeinander angewiesen zu sein, - denn Flucht ist nicht möglich, und Selbstmord ist kein Ausweg. Tullius gelingt die Flucht und, noch unglaublicher, er kehrt freiwillig in die Zelle zu Publius zurück. Er kehrt zurück, weil für ihn - unter Verabsolutierung einer "römischen" Doktrin - der 'Raum', die Welt, keine Alternative zum Binnenraum des Gefängnisses darstellt. Publius, der etwas weniger streng denkt, ist das unbegreiflich. Allein die "Zeit" bietet, so Tullius, einen Ausweg. Die Zeit ist Brodskys große vielgestaltige Metapher für die Poesie. Wer dichtet, entzieht sich dem räumlichen Zugriff, er kann, wie die Dichter vor ihm, in die Zeit entkommen. Die Erfahrungen des Exils in alter und neuer Zeit sind in diesem Begriff von Dichtung weitergesponnen. Ovids Exil am Schwarzen Meer ist von dieser Warte aus betrachtet nicht ferner als der Archipel Gulag. " (Hanns Zischler)
Produktions- und Sendedaten
- Norddeutscher Rundfunk 1988
- Erstsendung: 12.05.1988 | 104'20