Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Wolfdietrich Schnurre
Die Reise zur Babuschka
Technische Realisierung: Willer
Regie: Hanns Korngiebel
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Franz Weber Alter Renate Erhardt Kind Josef Pelz von Felinau Aljoscha Günter Pfitzmann Karl Edzard Bruns Fahrer Herbert Weissbach Fahrer Harry Wüstenhagen Offizier Reinhold Bernt Sanitäter Wolfgang Conradi Arzt Hans Kwiet Stimme Werner Kessel Stimme Paul Paulschmidt Stimme Fred Siebert Stimme
Zwei, drei Tage hat der deutsche Soldat Karl seinen Fahrer, den Russen Aljoscha, gekannt, und doch ist ihm, als sie beide schwerverwundet auf der Strohschütte des Panjewagens liegen, der sie ins Lazarett bringen soll, als wäre sein ganzes, an Umwegen und Irrtümern reiches Leben nur auf diese eine Fahrt, nur auf diesen einen Menschen hin ausgerichtet gewesen. Was dem Deutschen noch nie möglich war, zu erkennen, hier, an der Schwelle des Todes, und geleitet von Aljoschas vitaler Naivität, begreift er den Sinn des Lebens, der nicht Kampf heißt, sondern Verständnis, nicht Unrast, sondern Bescheidung, ein Sinn allerdings, dessen Gehalt ihm, banal gesprochen "zu spät" aufgeht, denn er stirbt während der Fahrt, weil er trotz seiner Verwundung, Aljoscha zum Verbandsplatz geschleppt hat. Aber auch Aljoscha hat an Karl sehr gehangen, atemlos redet er weiter auf den Gestorbenen ein, ständig in Angst, daß der Fahrer ihm den Toten wegnehmen könnte. Er redet so lange, bis auch ihn das Wundfieber packt, und als der Wagen mal hält, muß der Fahrer erkennen, er hat zwei Tote befördert. Dennoch ist dies kein auswegloses Hörspiel, die Ebene des Todes und des Lebens verschieben sich ständig, wie das ja auch im Alltag der Fall ist; Karl und Aljoscha sind tot, aber der Alte, der mit seinem Enkel vor ihren Holzkreuzen Rast gemacht hat, selber dem Tode schon nah, er versteht ihre Stimme noch immer, und kann, was sie sagen, dem Kind, das ihn mit Fragen bestürmt, weiter berichten. Es ist dem Hörer freigestellt, das Ganze als Legende oder als Bericht aufzufassen. Im Grunde allerdings hat der Autor sich streng an die Realität gehalten, die, so trocken sie uns auch oftmals erscheint, ja ständig ins Legendäre hineinreicht.
Produktions- und Sendedaten
- RIAS Berlin 1954
- Erstsendung: 28.06.1954 | RIAS 2 | 68'33