ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Die Geschichte des Zaubermarktes von Bé
Ich bin ein Löwe und meine Eltern sind Eichen und Steine
Technische Realisierung: Günter Beckmann, Christine Berger, Kerstin Heikamp
Regieassistenz: Waltraud Heise
Regie: Hans Gerd Krogmann
Das Stück zählt zu den letzten Rundfunkarbeiten des 1986 verstorbenen Autors. In kaum einem anderen Hörspiel geht das oft bekundete ethnologische Interesse Fichtes eine so spielerische Verbindung mit der Poesie ein. lm wesentlichen sind zwei Stimmen zu hören, die sich gegenseitig kommentieren: die Stimme des im Titel erwähnten "Löwen" und diejenige eines "Herrn aus Basel". Letztere, mehr der Versachlichung zuneigend, interpretiert den Löwen als "Thema der Identifikation und der Imitation. Mimesis sozusagen." Die Betrachtung des Zaubermarktes von Bé durch den "Löwen" löst eine zauberische Anverwandlung durch das Benennen von Dingen aus. Sprachmagie ist am Werk. Eine Welt entsteht aus Sprache, und der sie erstehen läßt, Fichte, erlebt sich dabei als Schamane, Zauberer und Priester. Die afrikanischen Zauberriten aus Togo und Dahomey stimmen überein mit denen der Merseburger Zauberer, mit Daniel Casper von Lohensteins Zaubersprüchen aus der "Agrippina" mit den Beschwörungsformeln Johannes Bobrowskis. Fichte vergißt nicht, an die Runenhölzchen zu erinnern angesichts der Zauberzeichen auf dem togolesischen Markt von Bé. Allerdings sind sie nur wirksam, wenn sie geglaubt werden. Es gelingt Fichte, dem Hörer diesen Glauben näherzubringen und ihn als eine Qualität wiederzuentdecken.
Hubert Fichte (1935-1986), geboren in Perleberg, wuchs in Hamburg auf, war Schauspieler, Schäfer, ab 1963 freier Schriftsteller. Mitglied der Gruppe 47 und des deutschen PEN. Zu seinen wichtigsten Werken zählen die Romane "Das Waisenhaus" (1965), "Die Palette" (1968) und "Versuch über die Pubertät" (1974), die ethnopoetischen Reiseberichte "Xango" (1976) und "Petersilie" (1980) sowie die unvollendete mehrbändige "Geschichte der Empfindlichkeit", die als Fichtes Hauptwerk gelten darf.