Hörspiel
Autor/Autorin:
Gerald Sammet
Ein kurzer Prozess
Technische Realisierung: Peter Nielsen, Helga Kunze
Regieassistenz: Wolfgang Streng
Regie: Albrecht Surkau
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Meike Meiners Blumenmädchen Evelyn Hamann Hamburger Schauspielerin Udo Schenk Karl Otto Bonnier Herbert Steinmetz Albert Bonnier u. 1. Stockholmer Bürger Jürgen Holtz Berichterstatter Hans Falár Geheimpolizist Siemen Rühaak Hjalmar Branting Wolfgang Kühne Sternström Dietmar Mues Carl Snoilsky Harald Halgardt Oscar II Benno Ifland August Strindberg Knut Hinz Atterling Ulrich Wiggers 2. Stockholmer Bürger Holger Mahlich 3. Stockholmer Bürger Ingolf Gorges 4. Stockholmer Bürger
Im Herbst 1884 kommt es in Stockholm zu einem sensationellen Prozeß. August Strindberg, zu der Zeit durch seinen gesellschaftskritischen Roman 'Das Rote Zimmer' bereits weithin berühmt als Dichter und als Rebell, wird mit seinen Verlegern Karl Otto und Albert Bonnier unter Anklage gestellt. Die Novellen-Sammlung 'Heiraten', heißt es, verkörpere den Tatbestand der "Lästerung gegen Gott oder Verspottung von Gottes Wort oder Sakramenten"; in Wirklichkeit war es wohl Strindbergs respektloser Umgang mit der Institution der Ehe, der die Zensoren herausforderte. Strindberg lebt zu der Zeit in Grez pars Nemours bei Paris; er hält sich in Genf auf, als ihn die Nachricht von der Beschlagnahme des Buches erreicht. Sein Zögern, ob er sich der Anklage stellen soll, wird ihm als Mutlosigkeit ausgelegt, seine Verleger, seine Freunde bedrängen ihn, er überwirft sich mit den Norwegern Björnson und Lie, fährt endlich doch nach Schweden, wo man ihm einen triumphalen Empfang bereitet und verläßt als Sieger die Anklagebank. Von der Heldenverehrung, die man ihm bereitet, distanziert er sich leidenschaftlich; noch am Tag nach dem Prozeß verläßt er Stockholm. Seine widersprüchlichen Auftritte haben mit einer Verschiebung des Bildes vom Dichter zu tun, wie sie für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts kennzeichnend ist. Aus der privaten, auf die Erbauung ihres Publikums bedachten Existenz wird die öffentliche Person, die Anteil nimmt und Anteilnahme hervorruft, der sie nicht ausweichen kann. Strindbergs Verhalten gleicht einem Spiel um seine schriftstellerische Identität; die Karten in diesem Spiel freilich werden nicht allein von ihm, sondern auch von Redakteuren, Staatsanwälten, Zensoren und von den Lesern seiner Werke gemischt. Was mit dem gesellschaftlichen Engagement des Dichters begann, kehrt als Anspruch einer öffentlichen und veröffentlichten Meinung auf ihn zurück. In dieser Situation geht sein Verhalten bis zum Verrat an den Idealen, für die er eigentlich eintreten wollte. "Auf die Freundschaft", schreibt Strindberg später in den autobiographischen Roman 'Der Sohn einer Magd', "muß der Mann der Öffentlichkeit verzichten, denn sie läßt die freie Tätigkeit seines Gedankens ermüden, und der erzwungene Weg seines Willens wird krumm."
Produktions- und Sendedaten
- Radio Bremen 1986
- Erstsendung: 14.10.1986 | 51'32