ARD-Hörspieldatenbank
Hörspiel
Einer von Tausenden oder Der Denkzettel
Technische Realisierung: Karl-Heinz Stoll, Beate Böhler
Regieassistenz: Uwe Schareck
Regie: Raoul Wolfgang Schnell
Das aus dem Nachlaß der 1974 verstorbenen Marie Luise Kaschnitz stammende Stück führt zurück in die sechziger Jahre, in denen das Wirtschaftswunder allmählich seinen Glanz einbüßte und der Studentenprotest sich immer radikaler artikulierte. Im Mittelpunkt steht der zweiundzwanzigjährige Martin, der eines Tages zum Arzt geht, weil er "Stimmen" hört und fürchtet, "verrückt" zu werden. In den Augen der Funktionsmedizin ist Martin jedoch kerngesund; was ihm schmerzlich fehlt, sind Ziel und Orientierung in einer Welt, deren Werte ihm fragwürdig erscheinen. In episodenhaften Begegnungen wird seine Suche nach Halt, einem Ideal, nach sinnerfülltem Leben gezeigt. Eher zufällig gerät Martin in die Reihen eines Demonstrationszuges und wird zum Opfer polizeilicher Maßnahmen. Auch wenn das Hörspiel seine letztgültige Version nicht mehr gefunden hat und manche seiner Szenen heute antiquiert wirken mögen, erschien es verlockend, eine Realisierung zu versuchen.
Marie Luise Kaschnitz, 1901 in Karlsruhe geboren und 1974 gestorben in Rom, fand mit ihrer Lyrik, ihrer Prosa und ihren Hörspielen vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg große Beachtung. Man rühmte die "Verbindung von Klassik und Moderne" in ihrem Werk, für das sie hohe Auszeichnungen, u.a. den "Georg Büchner-Preis 1955", erhielt. In der Büchnerpreisrede wies die Autorin ausdrücklich auf ihre große Affinität zum Hörspiel hin. An einige Titel sei hier erinnert: "Die fremde Stimme" (1953), "Der Zöllner Matthäus" (1956), "Das Gartenfest" (1960) und "Tobias oder Das Ende der Angst" (1961).