ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung
Gyges und Kandaules
Vorlage: Gyges und Kandaules (niederländisch)
Übersetzung: Hella von Beuningen-Blum
Bearbeitung (Wort): Valerie Stiegele
Technische Realisierung: Hans Scheck, Uta von Reeken
Regieassistenz: Holger Buck
Regie: Hans Gerd Krogmann
"Der Autor" verweist auf seine Erzähler-Allmacht und lädt den Hörer zu einer Reise durch Raum und Zeit in die Vergangenheit ein. "Ohne Phantasie bist du nichts in meinem Beruf!" erklärt er, während die beiden sich auf den Weg nach Südosten machen - in ein antikes Lydien, zurück ins Jahr 687 vor Christus. Dort steht es schlecht um das Königreich von Kandaules, letzter Herrscher aus dem Reich der Herakliden. Seine Truppen verlieren die Schlachten gegen die Feinde des Reichs, während er selbst den kommenden Untergang beharrlich ignoriert und sich mit seiner Königin vergnügt. Vergeblich versuchen die geschlagenen Heerführer, mit ihrem Monarchen zu sprechen, nur Gyges, der mit Kandaules von Jugend an befreundet ist, hat Zugang zum König. Doch auch ihm schenkt Kandaules kein Gehör, sondern verlangt lediglich Gyges' Mitwirkung an der Erfüllung seiner erotischen Obsession: Gyges soll die Königin, die sich stets dem Anblick anderer Männer entzogen hat, mit eigenen Augen sehen - nackt. Nootebooms Behandlung der alten Herodot-Fabel entmythologisiert den Stoff: Kandaules selbst führt mit seinen Obsessionen seinen Untergang herbei. Dahinter steckt eine überaus aktuelle Haltung: die Politikverdrossenheit des Herrschers, der in Ruhe sein Privatleben genießen will. "Macht ist Scheiße", erklärt er, und Götter gäbe es ohnehin keine: "Wir sind allein auf der Welt!" Ohne dem Hörer irgendwelche Analogien aufzuzwingen, hat Nooteboom eine antike mythologische Geschichte mit ironischer Leichtigkeit und mit dem Wissen der Gegenwart neu interpretiert.