Originalhörspiel

Autor/Autorin: Martin Walser

Ein grenzenloser Nachmittag

Technische Realisierung: Hans Jacobs, Charlotte Hönscheidt

Regie: Oskar Nitschke

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Paul HoffmannEduard Delbrück
    Mila KoppGisa Delbrück
    Willi ReichmannMarlen
    Fritz AlbrechtWallenberg

Es sind ein paar unscheinbare Ereignisse, die den Sonntagnachmittag der Familie Delbrück erschüttern, so sehr erschüttern, daß die Zeit aufgehoben wird, daß die schützende Schale sonntäglicher Nachmittagsgewohnheiten zerbricht und Eduard und Gisa Delbrück von ihrer Vergangenheit gerichtet und von der Zukunft geängstigt werden. Ein Untergebener des Herrn Delbrück versäumt es, zum Nachmittagskaffee zu kommen, und schon sieht die Frau das Ansehen ihres Mannes gefährdet, seine Laufbahn in Frage gestellt. In das sonntägliche Wohnzimmer dringt Motorenlärm, und schon bricht die Angst aus, es könnten Panzer sein, fremde Eroberer. Die Delbrücks haben es immer vermieden, sich ernst mit der Welt einzulassen, Herr Delbrück wollte keine Kinder; seinem Beruf, seinen Kollegen gegenüber hat er immer eine spielerische Reserve bewahrt; er war sich der Flüchtigkeit und Unsicherheit aller Verhältnisse zu sehr bewußt, als daß er es gewagt hätte, an irgend etwas in der Welt wirklich teilzunehmen. Dieser Nachmittag nun zerstörte die Illusion, daß man sich heraushalten könne aus dem Zeit- und Weltgeschehen, zerstört die falsche Sicherheit, die Herr Delbrück zur Lebensluft für sich und seine Frau gemacht hat. Und seine Frau ist es, in der der Nachmittag mit seinen unscheinbaren Ereignissen diese Einsichten, diese Erfahrungen bewirkt. Am Ende steht zwar kein Rezept, wie man besser leben könne, wohl aber die Erfahrung, daß der Lauf der Zeit auch die einholt, die glauben, ihr mit Methode und Plan entfliehen zu können.

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel

Produktions- und Sendedaten

  • Süddeutscher Rundfunk 1955
  • Erstsendung: 23.02.1955 | 40'45

Veröffentlichungen

  • Kassetten-Edition: Edition Isele 1997

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