ARD-Hörspieldatenbank

Hörspiel



Werner Wieberneit

Probe in Wahrheit

Ein Beitrag zur Auseinandersetzung um Bertolt Brecht



Regie: Oswald Döpke

Der Streit um Bert Brecht zwischen denen, die in ihm nur den großen Dichter und denen, die in ihm lediglich den prononciert kommunistischen politischen Dichter sehen, ist noch nicht beendet. In diesem Streit nimmt das "Leben des Galilei" eine besondere Stellung ein: man ist geneigt, eine auffällige Parallele zwischen dem "Leben des Galilei" und dem "Leben des armen B.B." festzustellen. Gemeinsam im Geiste scheint beiden: der Glaube an die Vernunft des Menschen, der Rationalismus und der cartesianische Zweifel.Das "Leben des Galilei" ist ein Stück, das in gewissem Sinne die moralische und soziale Funktion der Wahrheit - abgesehen von ihrer Funktion als bloße Erkenntnis - zum Gegenstand hat, dargestellt am Dilemma des Menschen Galilei. In der Diktion des Herrn Keuner wäre Galilei ein "Träger des Wissens" gewesen. Auch der politische Dichter - und das war Brecht ohne Zweifel - ist ein solcher "Träger des Wissens", möglicherweise in demselben Dilemma, begründet in dem Verhältnis von menschlicher Existenz, erkannter bzw. vertretener Wahrheit und sozialer Wirklichkeit. Brecht hatte diesem Dilemma verschiedentlich Ausdruck gegeben, so u.a. in seinen "Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit". Nicht umsonst heißt daher auch der Untertitel der Brecht-Biographie von Esslin: "Das Paradox des politischen Dichters". In diesem Paradox ist die Wahrheit und ihre soziale Funktion verborgen. Man kann das auch so ausdrücken: Brecht war ein menschliches und literarisches Experiment - und Brecht hat das ganz offenbar auch gewußt.Indem wir uns in diesem Hörspielfeature in eine Probe des "Leben des Galilei" begeben - eine vielleicht etwas eigentümliche Probe - stellen wir experimentell die Wahrheit des Bert Brecht und ihre soziale Funktion und diese Wahrheit in ihrer sozialen Funktion auf die Probe. So kommt die Wahrheit selbst in die Probe. Vielleicht, daß wir damit das schwankende, widersprüchige Bild von Brecht etwas zurchtrücken. Das Zusammentreffen zweier Ereignisse gibt dieser Sendung eine besondere Nuance: Nach dem 17. Juni 1953 schrieb Bert Brecht sein Gedicht "Böser Morgen", in dem es heißt: "Heut nacht im Traum sah ich Finger, auf mich deutend wie auf einen Aussätzigen. Sie waren zerarbeitet und sie waren gebrochen. Unwissende! schrie ich schuldbewußt."Am 22. Juni 1633 schwor Galilei in Rom seiner und der Kopernikanischen Lehre ab. Für eine experimentelle Probe auf die Wahrheit mag dies der Angelpunkt sein.

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Mitwirkende

Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
Heinz DracheSylvester Dorn
Siegfried SchürenbergKlaus Issl
Hermann EbelingPaulHesse
Kurt BuechelerHerr Keuner
Ernst SattlerKaspar Pröckl
Camilla SpiraHelly Pröckl
Charlotte JoeresJohanna
Ernst SchröderGalilei
Ernst JacobiAndrea
Eduard WandreySagredo
Paul WagnerKardinalinquisitor
Klaus MiedelMucius
Dorothea ThiessReinemachefrau


 

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel


PRODUKTIONS- UND SENDEDATEN

RIAS Berlin / Marchfelder

Erstsendung: 19.06.1963 | 81'40

Darstellung: