ARD-Hörspieldatenbank
Hörspielbearbeitung
Die Zimmerwirtin
Vorlage: La Logeuse (Theaterstück, französisch)
Übersetzung: Alexander Koval
Regie: Wolfgang Spier
Ein ganzes Arsenal von Opfern hat Madame Cirque, die Zimmerwirtin, aufzuweisen. Männer, die sie - "die Hexe, die Giftmischerin", wie ihre Tochter sie nennt - zu willenlosen Werkzeugen gemacht hat.Endlich kommt einer, der ihr überlegen ist - Monsieur Tienne, der neue Untermieter -, und all die männlichen Zwerge um Madame Cirque atmen auf und glauben ihre Freiheit wiederzuhaben.Aber es zeigt sich auf überraschende Weise, daß Monsieur Tienne seine Macht aus anderen Quellen als aus der seiner Männlichkeit bezieht. Eine grotesk-witzige Handlung und skurrile Nebenfiguren verhüllen kaum, daß Madame Cirque eigentlich eine tragische Gestalt ist. Ihr Geheimnis, das zu enträtseln sich die andern als unfähig erweisen, liegt allein in ihrer Überlegenheit. Sie bleibt einsam, weil sie vergeblich nach einem ebenbürtigen Partner sucht, und sie rächt sich dafür, unbewußt vielleicht, indem sie die Unterlegenen rücksichtslos beherrscht. Aber auch dies macht sie nicht glücklich, denn der fortwährende Anblick männlicher Sklaven, der aussichtslose Kampf gegen das Nichts vertiefen nur ihr Unbehagen, das sich in immer neuen Aggressionen entlädt.Auch in diesem Stück, einem der erfolgreichsten des Autors, entfaltet Audiberti seine ganze sprachliche Kunst. Ein Geflecht von höchst originellen Metaphern, Anspielungen und Assoziationen entkleidet den Vorgang aller Trivialität und macht ihn poetisch. Indem er ihn ironisch verfremdet, mach er seine Wirklichkeit dem modernen Bewußtsein um so glaubwürdiger.Jaques Audiberti, Sohn eines Maurers, aus Antibes stammend, ist heute 65 Jahre alt. Anfangs Justizangestellter in Antibes, wurde er später (1925) Journalist in Paris. Er schrieb viele Gedichte und Romane und eine Reihe von Theaterstücken. "Die Zimmerwirtin" wurde 1960 in Köln uraufgeführt.Unter den heutigen Dramatikern Frankreichs ist Audiberti nicht zu klassifizieren. Er selbst sagt: "Dem Alter nach gehöre ich zur Generation der Surrealisten, ohne es selbst zu sein... Ich setze die Generation um 1890 von Victor Hugo, Emile Zola, Leon-Paul Fargue fort. Ich bin eher als Schriftsteller der akademischen "Klassik" zu bezeichnen".