Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
Kerstin Specht
Der Flieger
Vorlage: Der Flieger (Theaterstück)
Komposition: FM Einheit
Realisation: Kerstin Specht, FM Einheit
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Martin Wuttke Flieger Hanna Schygulla Geliebte Christa Berndl Frau Jennifer Minetti Mutter Günter Rüger Pfarrer u.a.
Einen roten Milan hat der Schneider in seinen Keller eingesperrt. Er beobachtet an ihm den Auf- und Niederschlag der Flügel. Der große Vogel ist das Vorbild für seinen Flugapparat. Seiden und Stoffe verarbeitet der gelernte Schneider nicht, um Kleider, sondern um Flügel zu nähen. Sein ganzes Denken ist beherrscht von dem Traum, eines Tages die Welt unter sich zu lassen, übers Land zu fliegen, sich von der Erdenschwere des Alltags zu lösen, sich aus den Fesseln seiner Ehe zu befreien, sich über die Enge der Verhältnisse zu erheben. Er macht sich daran, diesen Traum gegen alle Widerstände seiner Umgebung in die Tat umzusetzen. Sein Scheitern ist unausweichlich. In der Konzentration auf den Mann entwirft Kerstin Specht das Bild eines einsamen Menschen. In seinen Monologen, den verbissen stummen Reaktionen auf die Vorwürfe seiner Familie behauptet er die Notwendigkeit einer Utopie als Überlebenshilfe - aller Aussichtslosigkeit zum Trotz. Mit seiner Uneinsichtigkeit und Beharrlichkeit leistet der Schneider Widerstand gegen die pragmatische Vernunft. Darin liegt die Faszination, jenseits aller Historie, die von der Figur des Fliegers ausgeht. "Wer braucht noch eine Absperrung der Länder, wenn man sich in die Luft erheben kann. Die Freiheit wird sich von den Stricken befreien und sich über alle Grenzen hinweg ausbreiten, wie warme Luft. Der rostige Stacheldraht wird sich kringeln vor Neid und schließlich an seiner Sinnlosigkeit krepieren" (Kerstin Specht).
Weitere Informationen
Kerstin Specht, geboren 1956 in Kronbach, arbeitet seit 1988 als Theaterautorin. Ihre frühen Stücke stehen in der Tradition des kritischen Volkstheaters. 1990 entsteht ihr erstes Bühnenstück "Das glühend Männla". Rasch wird sie in der taz 1991 zum "Shooting Star des Theaterjahres" ernannt. Für "Mond auf dem Rücken" wurde der Autorin 1993 der Lasker-Schüler-Dramatikerpreis verliehen. An den Münchener Kammerspielen hatte 1996 "Carceri" Premiere, das vom Leben des französischen Philosophen Louis Althusser handelt.
FM Einheit, Schlagwerker der "Einstürzenden Neubauten", schrieb zahlreiche Film- und Theaterkompositionen. 1990 entsteht in Zusammenarbeit mit Ulrike Haage und Katharina Franck das Album "Stein". Er beteiligte sich an den preisgekrönten Hörspielen "Radio Inferno", "Apokalypse live" und "Odysseus 7".
Produktions- und Sendedaten
- Bayerischer Rundfunk 2000
- Erstsendung: 02.06.2000 | Bayern 2 | 22:05 Uhr | 40'40
Rezensionen (Auswahl)
- Markus Collalti: In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 02.06.2000. S. 53.