Originalhörspiel

Autor/Autorin: Wolfgang Graetz

Kurzer Prozeß

Regie: Oswald Döpke

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Rudolf Jürgen BartschSprecher
    Marianne KehlauSprecherin
    Ricarda BenndorfInge Rehwein
    Herbert FleischmannDr. Rehwein
    Magda HenningsFrl. Lange
    Anne RottenbergerIngrid
    Heidemarie BöhlkeGitta
    Marlene RiphahnDirektorin
    Kurt LieckWegerich
    Ingrid LammerdingTelefonistin
    Wolfgang EngelsMinisterialrat

"Es ist statistisch erwiesen, dass ein großer Prozentsatz derjenigen, die in Fürsorgeerziehung aufgewachsen sind, auch in ihrem späteren Leben wieder scheitern, gegen Gesetze verstoßen und der bestehenden Ordnung feindlich gesinnt sind. Die meisten Verbrecher haben ihre Laufbahn in Erziehungsanstalten begonnen. Daraus lässt sich schließen, dass die Betreffenden bereits prädestiniert waren. Wie schon die Volksweisheit sagt: Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will. Zwar ist auch ein ganz anderer Schluss möglich: Dass unsere Erziehungsanstalten Verbrecher produzieren. Doch dieser Schluss dient nicht der bestehenden Ordnung - und ist daher zu verwerfen. Zumal die Statistik ihre Daten pflichtgemäß zu systemkonformer Auslegung aufbereitet und ausgespuckt hat." So lautet einer der polemisch-distanzierten Einschübe in dem neuen sozial- und gesellschaftskritischen Hörspiel des umstrittenen Autors, das wir zur Diskussion stellen. Graetz verfährt hier bewusst plakativ, um an einem kaum differenzierten Einzelfall - dem Schicksal eines Fürsorgezöglings - die Problematik des Strafvollzugs und die pseudokaritativen Fürsorge- und Erziehungstendenzen zu demonstrieren, die den Gestrauchelten keine Chance lassen und darüber hinaus die zugrundeliegende Bewusstseinshaltung des ganzen Systems zu attackieren. Vergeblich rennt der Fürsorgeerzieher Rehwein dagegen an. Er resigniert, aber unter Protest. Seine anfängliche Absicht, die Zustände in einem Fürsorgeheim (parabelhaft verkürzt wie in "Hölle auf Sparflamme") realistisch abzuschildern, gab er nach mehreren Anläufen auf. "Was mir an Breite der Darstellung, an Panorama verlorengeht, habe ich versucht, durch frei rhythmisierte Zwischentexte auf andere Weise hineinzubringen. Außerdem, glaube ich, lockern sie den Handlungsablauf ein bisschen auf und relativieren die individuelle Story des Rehwein. Das heißt, ich meine das Gegenteil: Sie machen diese willkürlich gewählte Story zu einem Beispiel für etwas Prinzipielles."

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel

Produktions- und Sendedaten

  • Westdeutscher Rundfunk 1968
  • Erstsendung: 22.05.1968 | WDR 1 | 32'20

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