ARD-Hörspieldatenbank

Originalhörspiel
Der Prozess um des Esels Schatten
Komposition: Georg Katzer
Technische Realisierung: Jürgen Wollermann, Monika Buley
Regieassistenz: Barbara Plensat
Regie: Edgar Kaufmann
Auf einer Geschäftsreise durch die sonnendurchglutete Hitzschlag-Ebene will Struthion sich in den Schatten des gemieteten Reitesels setzen, um sich etwas zu erholen, aber der Eselbesitzer und -treiber Anthrax bestreitet ihm das Recht dazu, weil der Schatten nicht mitgemietet sei. Der Streit der beiden wird vom Stadtrichter um ein Haar geschlichtet, doch da gesellt sich den Kontrahenten je ein Advokat bei. Beide Advokaten bringen, teils aus wissenschaftlichen Gründen, teils um die Sache der Proletarier gegen die Ausbeuter zu vertreten, ihre Mandanten buchstäblich um Weib und Kind, Hab und Gut. Sie machen die Auseinandersetzung zu einer Sache der gesamten Republik: Der Latrona-Oberpriester wird gegen den Jason-Erzpriester aufgebracht, beide werden gesellschaftlich aufs schwerste kompromittiert, der Streit wird »eine Angelegenheit der Philosophie, der Ideale und weiß Gott was für heiliger Güter«, der Freiheits- und Fortschrittsglaube und die Privatwirtschaft stehen gegen den Aberglauben und das Recht der Schwachen, Staats- und Volksversammlung erheben ihre Stimme, der Fremdenverkehr, der Tierschutz, die Zünfte schalten sich ein, und schließlich offeriert der Direktor der friedliebenden Korinther Waffen-AG auch schon Schwerter, Wurfspeere und Libanonzedernschilde. Entschieden wird das Ganze jedoch - radikal durch den immer trunkenen Vollblutkapitän Tiphys, der, eine - von Brecht übernommene - Seemannsballade singend, sich von beiden Parteien, der Esel- und der Schattenpartei, gewaltig bestechen läßt und mit seinen Mannen im Auftrag beider Lager beide gegnerischen Tempel und die ganze Stadt in Flammen setzt. Als am Ende die Interessenten und Kontrahenten in den rauchgeschwärzten Ruinen ihrer Stadt stehen, ergreift zum erstenmal derjenige das Wort, der, obwohl der Mittelpunkt, bisher stets geschwiegen hat. Zweifelnd fragt er sich: »War ich in dieser Geschichte der Esel?«