Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
Molière
Der Menschenfeind
Vorlage: Der Menschenfeind (Theaterstück, französisch)
Bearbeitung (Wort): Hans Magnus Enzensberger
Komposition: Enno Dugend
Technische Realisierung: Erhard Hafner, Nita Raudzsus
Regieassistenz: Burkhard Ax
Regie: Ludwig Cremer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Michael Degen Alceste Ralf Schermuly Philinte Gert Haucke Oronte Ingrid Andree Célimène Nicola Saussen Eliante Karin Anselm Arsinoé Matthias Ponnier Acaste Peter Lieck Clitandre u.a.
Hans Magnus Enzensberger zu seiner Übersetzung "Der Menschenfeind": "Je genauer ich meinen Molière studierte, desto mehr Echos stellten sich ein. Auf Schritt und Tritt begegneten mir, in München, Hamburg, Düsseldorf, Reaktionen, Mechanismen, Verkehrsformen, die denen der Komödie bis ins Detail glichen. Ich entdeckte, daß die Party, die am Abend des 4. Juni 1666 auf der Bühne des Theaters von Palais-Royal begann, immer noch andauert, und daß sich das Verhalten der Gäste nur in unerheblichen Äußerlichkeiten verändert hat. Wer unserer 'upper middle class' ein aufmerksames, schadenfrohes Ohr leiht, dem kann es nicht schwerfallen, die exakten Echos aufzuzeichnen, die jeder Regung der bürgerlichen Seele von 1666 dreihundert Jahre später zwischen Schleswig-Holstein und dem Bodensee entgegenschallen. Das Substrat ist unverändert: Klatsch, Prestigebedürfnis, Intrige, Überdruß, Snobismus, Mißgunst, Aufsteigertum, Verweigerung, Kalkül. Es hat durchaus etwas Erschreckendes, zu sehen, wie gut dem 'Menschenfeind' der heutige Handschuh paßt. Das läßt nicht nur den Schluß zu, daß Molière ein prophetischer Autor war, der die Zukunft der Bourgeoisie ungewöhnlich scharfsinnig erkannte und beschrieb. Es besagt auch, daß sich diese Klasse ungeachtet aller Umwälzungen, die sie verursacht hat, in Wirklichkeit kaum voranbewegte. Der Fortschritt, den sie angezettelt hat, und der in der Außenwelt kaum einen Stein auf dem anderen ließ, ist subjektiv, im Innenbau seiner Urheber, eine bloße Chimäre geblieben. Dreihundert Jahre lang ist sich, wenn man Molière glauben darf, die 'middle class' auf wahrhaft niederschmetternde Art und Weise gleich geblieben. In diesem Sinn ist mir die Übertragung seines Stückes nur allzu leicht gefallen." "Enzenbergers 'Menschenfeind' ist ein intelektuelles und lyrisches Zauberkunststück - eine 'Bearbeitung', in der sich der äußerste Respekt vor dem Original und die äußerste Freiheit verbinden. Enzensberger hält sich exakt an Molières Zeilenzahl, an seine Dramaturgie, an den Ablauf der Szenen. Sein Stück ist wörtliche Übersetzung, freie Übersetzung. Nachdichtung und Neuerfindung in einem. So wird die alte Form virtuos benutzt, die alte Geschichte aber rigoros in die Gegenwart übersetzt. Enzensberger hat den Jargon der intelektuellen (und halbintellektuellen) bundesdeutschen Schickeria nicht in wütender Prosa parodiert, sondern in leichte, schöne Verse übersetzt, eine tote Sprache zum Tanzen gebracht." (Die Zeit) (Pressetext)
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 1980
- Erstsendung: 06.10.1980 | WDR 3 | 73'13