Hörspiel
Autor/Autorin:
Rolf Schneider
Prozeß in Nürnberg
Regie: Raoul Wolfgang Schnell
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Robert Seibert Der Vorsitzende des Gerichts Harald Meister Der Gerichtsmarschall Hans-Peter Thielen Amerikanischer Ankläger Adolf "Addi" Furler Britischer Ankläger Walter Hilsbecher Französischer Ankläger Alf Marholm Sowjetischer Ankläger Peter Oehme Göring Wolfgang Engels Keitel Alois Garg Streicher P. Walter Jacob Schacht Rudolf Jürgen Bartsch 1. Verteidiger Günther Sauer 2. Verteidiger Werner Rundshagen Runstedt Hans Paetsch Paulus Kurt Lieck Ohlendorf Gerd Mayen Milch Frank Barufski Karl-Heinz Delow Klaus Eckert Fritz Leo Liertz Otto Kurth Rudolf Melichar Olaf Quaiser
"Nürnberg ist heute eine historische und moralische Tatsache und mit
ihr muss von jetzt ab jede Regierung in ihrer Innen- und Außenpolitik
rechnen ...
Die Verbrecher und ihre schlimmen Taten mögen in der Erinnerung
verblassen, aber wir haben kein Recht, die Verfahren als solche zu
vergessen."
(Telford Taylor, amerikanischer Anklagevertreter beim Nürnberger
Prozess,
in seinem Buch "Die Nürnberger Prozesse", Zürich 1950.)
Rolf Schneider hat "Nürnberg", jenen Kriegsverbrecherprozess, der in
der Geschichte nicht seinesgleichen hat, in Form eines
Dokumentarstücks auf die Bühne gebracht. Die Uraufführung fand am 15.
Oktober 1967 am Deutschen Theater in Ostberlin statt. London und Wien
folgen. Der WDR bringt dieses Werk in einer Hörspielfassung des Autors
zur Sendung. Zum Thema "Dokumentarstück" und zu der Frage, was ein
Stück über den "Nürnberger Prozess" leisten soll, hat sich Schneider
ausführlich geäußert:
"Dokumentarstücke, heißt es, sind in Mode. Diese Feststellung ist
zweifelhaft: Gibt es das Genre per definitionem? Gibt es eine
künstlerische Mode? Nimmt man dem Wort seinen beabsichtigt abwertenden
Sinn, so verbleibt: Die Befriedigung eines offenkundigen Bedürfnisses.
Derlei ist legitim. Der Kunst kann nichts besseres widerfahren, als
auf ein derartiges Bedürfnis zu treffen.
Nun ist das Dokumentarstück, sei es dreist so genannt, eine Erfindung
des deutschsprachigen Theaters. Das zitierte Bedürfnis hat mit dem zu
tun, was einmal Deutschland hieß, entstanden aus Erinnerungen an
Geschichtliches, Unbehagen an Gegenwärtigem, wozu die
Zeitgeschichtsschreibung gehört. Man hat den Vorwurf erhoben, das
Theater vergewaltige sich selbst (ein übrigens schwer vorstellbarer
Akt), indem es solcherart zum Ersatz für Geschichtswissenschaft werde
und die ästhetischen Folgen seien überhaupt verheerend. Der erste
Vorwurf ist albern. Das Theater kennt Geschichtliches als Gegenstand
der Präsentation und die Herausbildung politischer Vernunft als deren
Zweck, seit es das Theater gibt, was wiederum fast ein Gemeinplatz
ist. Der zweite Vorwurf mag stichhaltig erscheinen. Natürlich ist der
Spielraum zwischen überliefertem Dokument und theatralischem Ermessen
manchmal bestürzend eng. Aber gelegentlich ist auch aus derlei
Beschränkungen ein höchst besonderer Stil erwachsen. Die Feststellung
soll allgemein gelten und es gibt Beispiele für sie.
Bliebe zu fragen, was ein Stück leisten soll, dessen Thema der erste
Nürnberger Prozess ist. Das Verfahren war spektakulär. Vom Bewusstsein
derer, die er hauptsächlich betraf, die Deutschen nämlich, wurde er
nur widerwillig zur Kenntnis genommen. Die Nachrichtenkommunikation
war überdies mangelhaft: Es war Nachkrieg. Einer der Gründe, diesen
Prozess auf dem Theater nachzustellen, ist simple Information; wichtig
unter anderem deshalb, weil hier das Modell war für spätere Prozesse
dieser Art, in Nürnberg, in Jerusalem, in Frankfurt, wo auch immer:
Prozesse, über die wir sehr viel besser unterrichtet sind. Sie bilden
freilich nur einen assoziierbaren Inhalt jener zwanzig Jahre, die
inzwischen vergingen und aus deren Kenntnis wir das Verfahren gegen
Göring und andere heute zwangsläufig sehen."
Der Prozess begann am 20. November 1945 und endete am 1. Oktober 1946.
Die Todesurteile wurden am 16. Oktober 1946 vollstreckt.
Das Urteil: Zum Tode durch den Strang wurden verurteilt:
Hermann Göring, Joachim von Ribbentrop, Wilhelm Keitel, Ernst
Kaltenbrunner, Alfred Rosenberg, Hans Frank, Wilhelm Frick, Julius
Streicher, Fritz Sauckel, Alfred Jodl, Martin Bormann (in Abwesenheit)
und Artur Seiß-Inquart.
Zu lebenslänglichem Zuchthaus wurden verurteilt:
Rudolf Heß, Walter Funk und Erich Raeder.
20 Jahre Zuchthaus erhielten Baldur von Schirach und Albert Speer,
15 bzw. 10 Jahre Zuchthaus Constantin von Neurath und Karl Dönitz.
Hjalmar Schacht, Franz von Papen und Hans Fritzsche wurden
freigesprochen.
Das Verfahren gegen Gustav Krupp von Bohlen und Halbach wurde wegen
Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten ausgesetzt.
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 1968
- Erstsendung: 31.07.1968 | WDR 1 | 116'05