Originalhörspiel
Autor/Autorin:
Erasmus Schöfer
Berg der Schatten
Regie: Friedhelm Ortmann
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Brigitte Horney Renja Steinweg Ernst Jacobi Peter Schwarz Heinz Schacht Kellner Irmgard Först Frau Berger Wolf Schlamminger Krisjan Ingeborg Engelmann Rosa Alois Garg Vater Mira Hinterkausen Wera Petersohn Ingeborg Schlegel Gerhard Becker Christian Borg Günter Dybus Kurt Faber Helmut Franz Arno Görke Harald Meister Wolfgang Peau Jürgen Prochnow Siegfried Puhl Hans Schulz Karl-Heinz Ullmann
Dieses Hörspiel ist der Beitrag der Dramaturgie des Westdeutschen
Rundfunks Köln im Programmaustausch mit der Dramaturgie von Radio DDR.
Erst fünfzehn Jahre nach den Ereignissen begannen die Mediziner zu
erkennen, dass die Erinnerung an die nationalsozialistische Verfolgung
für die Betroffenen von anderer Art ist als an Fronterlebnisse und
Bombenangriffe: Eine Krankheit, die nur in seltenen Fällen wirklich
geheilt werden kann. In ihren Untersuchungsberichten sprechen die
Fachleute von dem "Knick in der Lebenslinie", von den "psychischen
Spätschäden nach politischer Verfolgung" und nannten die Gesamtheit
der bei den Verfolgten auftretenden Krankheitserscheinungen das "KZSyndrom". In seinem Hörspiel behandelt Erasmus Schöfer das Schicksal einer Frau, die durch die Erlebnisse der NS-Zeit unheilbar gezeichnet ist. Im erinnernden Blick auf die Vergangenheit assoziiert sie nur Psycheme: Die real erlebten Personen jener Jahre flicht sie in irreale
Situationen. Die so entstehenden Szenen beleuchten beides: Die für den
Zuhörer zu erhellende Vergangenheit Renjas und ihre gegenwärtige
seelische Verfassung. Zu seinem Hörspiel bemerkt der Autor: "Vergangenheit ist nicht eindeutig das, was zu sein ihr Name behauptet. Während Fakten als vergangene in ihrer Unwiderruflichkeit verharren, Monumente verlebter Zeit, geben sie als gewesene keinen Frieden, bedrängen die Gegenwart, verstellen die Zukunft. Bewältigen, also wegschaffen, lassen sich nur die Kadaver. Die Gegenwart der gewesenen Opfer sind deren Verwandte und Kinder. Wenn nichts anderes. 1946 sagte mir Fünfzehnjährigem eine das KZ noch kurze Zeit überlebende Jüdin, als Pimpf der Hitlerjugend sei ich mitschuldig geworden. Verständnislos, entrüstet, wies ich auf meine objektive Unwissenheit. Fünf Jahre erwachsener gelangte in mein
Bewusstsein die Teilhabe an der Schuld. Jener Frau war solche Einsicht
nicht mehr nützlich. Dann, viel später, die Prozesse: Wir sahen die wenigen ihrer Vergangenheit Beklagten, doch vor dem Berg der Schatten saßen als unheilbar Erinnernde noch immer viele, saß auf den Zeugenbänken die Gegenwart der Vergangenheit. Da es ihre Gegenwart ausspricht, ist dieses Funkstück ihnen angeboten, uns gesagt."
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk / Bayerischer Rundfunk 1966
- Erstsendung: 15.11.1966 | 53'40
Veröffentlichungen
- CD-Edition: Lilienfeld Verlag 2016 (unter dem Titel "Bilanz: Hörspielkunst aus den Studios des WDR")