Hörspielbearbeitung, Dokumentarhörspiel
Autor/Autorin:
Walter Aue, Max Frisch
Andorra – Ein Klassenspiel
Vorlage: Andorra (Theaterstück)
Redaktion: Heinz Hostnig
Technische Realisierung: Wolfgang Henrich, Jutta Körner
Regieassistenz: Marianne Meek-Therstappen
Regie: Jörg Jannings
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Friedhelm Ptok Sprecher A Gert Haucke Sprecher B Peter Fitz Sprecher C Wilhelm Wieben Zwischentexte
Der Autor schreibt zu seiner neuen Rundfunkarbeit: "Das Stück 'Andorra' von Max Frisch gilt für die deutschen Studienräte noch immer als das exemplarische Modell zeitgenössischer Literatur. Es steht im Lehrplan der Sekundar-Stufe I. Und es dient als Gleichnis für die Behandlung von Minderheiten. Aber inzwischen sind die Generationen, die an den Judenverfolgungen direkt oder indirekt beteiligt waren, nicht nur vergreist und fast vergessen, sondern auch in die folgenschwere Geschichte der Lesebücher verdrängt worden. Ein Verdrängungsprozeß, der allzu häufig über ähnliche Probleme der Gegenwart hinwegtäuscht. Und hier liegt der Anlaß zu meinem Hörspiel. Ich wollte 'Andorra' als Klassenspiel und gewissermaßen als Überprüfungsmodell gesellschaftlicher Wiederholungsweisen einsetzen, und damit den vorgegebenen Wert einer literarischen Erfindung mit dem Realitätswerk unserer Gegenwart vergleichen. Als Arbeitsgebiet wählte ich mir das Kreuzberger Viertel in Berlin, besonders das Wohnviertel von Bethanien, das in einem bevorzugten Maße von türkischen Gastarbeiterfamilien bewohnt wird. Es war die Zeit der großen Demonstrationen und Polizei-Einsätze, die in dem Sanierungsgebiet von Bethanien durchgeführt wurden und die zur zeitweiligen Besetzung und Absperrung von besonders heiß umkämpften Gebäudeteilen und Straßen führten. Hier beginnt das Stück 'Andorra', ein Klassenspiel der verschiedenen Gesellschaftsklassen. In diesem Fall der türkischen und der deutschen." Die deutschen Schüler einer Realschule, deren Beteiligung an diesem Hörspiel der Autor vorgesehen hatte, weigerten sich mitzumachen, weil ihre Eltern die geplanten Exkursionen in das türkische Viertel von Bethanien kurzerhand verboten. Statt dessen wurde, in größerem Umfang als ursprünglich geplant, Max Frisch zur Mitarbeit und Mitwirkung an diesem Hörspiel gewonnen. Der Verfasser von "Andorra" beschreibt das Grundmuster seiner literarischen Fiktion, nimmt Stellung zu seinem Stück, zum Problem der Minderheiten und zu Aues Versuch, dieses Modellbeispiel an der exakt beobachteten und wiederum literarisch festgehaltenen Realität zu überprüfen. Frischs Aussagen sind Bestandteil dieses Hörspiel-Experiments.
Produktions- und Sendedaten
- Norddeutscher Rundfunk 1976
- Erstsendung: 14.11.1976 | NDR 3 | 83'03