Originalhörspiel, Science Fiction-Hörspiel
Autor/Autorin:
Robert Wolfgang Schnell
Der Fleck auf dem Schuh
oder Soll Prometheus gefesselt werden?
Komposition: Alfred Goodman
Technische Realisierung: Hans-Joachim Herwald, Klaus Gebauer
Regieassistenz: Uwe Rosenbaum
Regie: Günther Sauer
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Wolfgang Reichmann Prometheus Franz Kutschera Dr. Johannes Hübner Ursula Langrock Seine Frau Marianne Rogée Olga, Dienstmädchen Peter Langer Hans Pulverstein, Reporter Margot Leonard Betty, seine Frau Matthias Ponnier Figula Harry J. Bong Breitschein Peter Danzeisen Siepmann Bodo Primus Posskopp Uwe Rosenbaum Schüler Jaromir Borek Polizist Annelie Jansen Frauernstimme Günther Sauer Sprecher
Der letzte Rebell in einer total integrierten Gesellschaft, über deren Frieden eine Weltregierung mit spießigem Eifer wacht.Kritisches Denken ist rar geworden, seit der geringste Anschein von Desintegration genügt, um sich den Ruf eines Revolutionärs zu verdienen. Nur einer hat die Nase voll von dieser makellosen, keimfreien Gesellschaft, von Mitmenschen, die sich nur noch in der Farbe der Kleidung unterscheiden, von der totalen demokratischen Befriedigung der Massen. Weil er in einer spontanen Anwandlung den Präsidenten geohrfeigt hat, wird er nach antikem Vorbild an einen Felsen geschmiedet. Aber der Strafvollzug ist human, wie es sich für eine friedliche Welt gehört. Die Eisenringe sind gepolstert, die Ketten lassen Bewegungsfreiheit und die Vorräte an Konservendosen werden regelmäßig erneuert. Und Adler sind zivilisatorisch ohnehin nicht mehr tragbar. Das Ausscheiden des letzten Rebellen aus der menschlichen Gesellschaft wäre ohne Aufsehen vonstatten gegangen, hätte nicht Hans Pulverstein, Durchschnittsjournalist mit Ka rriereabsichten, mit seinem Volks-Storch-Hubschrauber den neuen Prometheus auf dessen Felseneiland aufgesucht und mit einem illegal ausgestrahlten Interview geradezu einen Sturm in Kleinbürgerseelen entfacht. Dr. Johannes Hübner, Studienrat am Zentralen Friedensgymnasium, hat im Unterricht gerade "Der gefesselte Prometheus" von Aischylos durchgenommen. Dass nur ein einziger seiner Schüler die Ungehörigkeit besitzt, einen Bezug zu dem lebenden Rebellen herzustellen, an dessen sang- und klangloser Beseitigung kein vernünftiger Mensch Anteil zu nehmen hat, erfüllt ihn mit Befriedigung und gibt ihm die Gewissheit, dass die wunderbare Umwandlung der Welt von destruktiver, pessimistischer Unrast zu leidenschaftsloser, positiver Ruhe Tatsache geworden ist. Angesichts des unerhörten Interviews beschließt er spontan, selbst hinzufliegen, um den Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch er muss die Erfahrung machen, dass keineswegs nur sein ungehörigster Schüler, sondern sogar seine eigene Frau ein überraschendes Interesse am neuen Prometheus bekundet.
Produktions- und Sendedaten
- Westdeutscher Rundfunk 1970
- Erstsendung: 21.07.1970 | WDR 2 | 53'52