Hörspielbearbeitung

Autor/Autorin: Maurice Joly

Gespräche in der Unterwelt zwischen Machiavelli und Montesquieu

Vorlage: Dialogues aux enfers entre Machiavel et Montesquieu (Prosa, französisch)
Übersetzung: Ewald Hackler, Michael Raus
Bearbeitung (Wort): Hein Bruehl

Regie: Hein Bruehl

  • Weitere Mitwirkende

    Sprecher/SprecherinRolle/Funktion
    Dieter BorscheMontesquieu
    Siegfried WischnewskiMachiavelli

Diese Reihe "Der Dialog" begann im vergangenen Halbjahr mit den Dialogen aus dem "Messingkauf" von Bertolt Brecht, in denen "der Philosoph" (Brecht) mit dem "Dramaturgen" und dem "Schauspieler" über eine neue Art, Theater zu spielen und zu beurteilen, diskutierte. Fortgesetzt wird die Reihe jetzt mit einem staatspolitischen Disput zwischen dem französischen Aufklärer Montesquieu ("Esprit des lois," 1748) und dem italienischen Renaissancephilosophen Machiavelli. Im Jahr 1864 erscheint in Brüssel ohne Angabe des Verfassers eine Schrift "Gespräche in der Unterwelt zwischen Machiavelli und Montessquieu" oder "Die Politik des Machiavelli im 19. Jahrhundert". Das Buch wird in ganzen Ballen nach Frankreich eingeschmuggelt. Durch Denunziation gelingt es der Geheimpolizei Napoleon III alle Bücher noch vor der Auslieferung zu beschlagnahmen. Der Verfasser, ein gewisser Maurice Joly, Advokat, Schriftsteller und Redner für die gemäßigte Linke, wird zu fünfzehn Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Nach dem Sturz Napoleons endet er in der Dritten Republik durch Selbstmord. Sein Buch, das sich gegen das System des neuen Kaiserreichs richtet, bleibt trotz einer zweiten Auflage, die vier Jahre später, 1868, diesmal mit dem Namen des Verfassers erscheint, unbekannt. Joly muss die napoleonischen Reformen, die sich einem parlamentarischen Regime wieder schrittweise nähern und den politischen Liberalismus scheinbar einführen wollen, als Verrat an den Idealen der ersten Revolution begreifen. Montesquieu, der die Denkmodelle für die Umwälzungen im Frankreich des 18. Jahrhunderts liefert und die moderne republikanische Staatsform als die beste vorausbegreift, weil sie die Souveränität des einzelnen Menschen als Instanz gelten lässt, trifft in diesen fingierten Dialogen auf den Machtpragmatiker der Renaissance, Machiavelli. Jolys Gegenüberstellung gestaltet sich zu einem brillanten Beispiel politischer Literatur. Dieses Streitgespräch macht deutlich, wie stark das ordnende Machtprinzip eines diktatorischen Zweckdenkens, das sich die permanenten Unvollkommenheiten der menschlichen Natur zunutze macht, bis in unsere Gegenwart wirksam bleibt. Es könnte zeigen, wo und wie machiavellitisches Zweckdenken - jene "politische Apotheke", wie Montesquieu es einmal nannte - sich auch in unseren parlamentarischen Demokratien zu etablieren vermag.

Quellen zum Hörspiel - © DRA/Michael Friebel

Produktions- und Sendedaten

  • Westdeutscher Rundfunk 1969
  • Erstsendung: 01.05.1969 | WDR 3 | 76'40

Haben Sie Anregungen oder Ergänzungen zu diesem Eintrag?