ARD-Hörspieldatenbank
Hörspiel
Wer nicht sehen kann, muß hören
Regie: Heinz von Cramer
Dieses Hörspiel "der Ängste und Aggressionen" (Widmer) entwickelt sich aus drei, wie es anfangs scheint, disparaten Ebenen. Die erste Ebene, die in den Anfang-Sequenzen noch ein Stück plastischer Realität vortäuscht, beginnt idyllisch, im "tiefen Frieden": Vier alte Damen halten ihr "Teekränzchen" ab, bei Glockengeläute, Vogelzwitschern, entferntem Kuhbrüllen, Grillengezirpe und einer allen vertrauten Tango-Platte. Sie plaudern über Tee- und Kuchenrezepte, erzählen einander eine Rossini- und eine leicht beunruhigende Märchen-Variante aus Schneewittchen. Auf einer zweiten Ebene (re-)produzieren (d.h. "lesen") vier Kinderstimmen Abenteuer-, Gangster- und Horror- Literatur. In ihren Darstellungen dominiert das abstruse Detail, kommt es zu merkwürdigen Überlagerungen, befremdlichen Exkursen und Aufhebungen von Zusammenhängen. Die dritte Hörspiel-Ebene konstituiert sich aus Geräuschen (wie heiseren Atemzügen, grässlich lautem Fensterklirren, Dachrinnenknirschen, Türschlagen) - Geräuschen, die die trügerische Idylle der vier älteren Damen zerstören, ihre Gespräche verunsichern, in grotesk anmutende Bahnen lenken und Panik auslösen. Diese Geräusche signalisieren den Mord an zwei der in diesem Haus versammelten Damen. Auch die Kinderstimmen, von den "Lesezwängen" befreit, wissen am Ende Einzelheiten über diese Morde.