ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Testamentseröffnung
übersetzt aus dem Französischen
Übersetzung: Maria Frey
Komposition: Peter Zwetkoff
Regie: Mathias Neumann
Von besonderem Reiz für europäische Ohren ist in diesem Hörspiel des Marokkaners Driss Chraibi die alttestamentarisch anmutende Bildersprache der arabischen Welt. Dem in Frankreich lebenden Autor gelingt es durch phantasievolle Auffächerung der Szenen, zwei grundverschiedene Welten miteinander zu konfrontieren. In dem Stück reist ein in Europa lebender Marokkaner zur Beerdigung seines Vaters und dessen Testamentseröffnung nach Hause. Die Heimkehr wird zur Wiederbegegnung mit einer patriarchalischen Welt. Der märchenhaft große Besitz des Vaters – Ländereien, Viehherden, Lastwagen, Fabriken, Häuser – wird nach dessen Willen nicht zu gleichen Teilen unter die zahlreichen Söhne und die Witwe aufgeteilt. Nach dem Gutdünken des Alten, der auch von seiner Frau nur als "der Herr" bezeichnet wird, erhält jeder "nach seinen Bedürfnissen und seinem Verstande", was er zum Lebensunterhalt braucht: die Mutter, deren Horizont über die eigenen vier Wände nicht hinausreicht, das Wohnhaus, der in Europa lebende Sohn gar nur ein Bündel Banknoten und einen Flugschein für die Rückreise. Dennoch erscheint ihm der Ratschluß des Toten voller Weisheit.