ARD-Hörspieldatenbank
Originalhörspiel
Die Leichenträger
Technische Realisierung: Eduard Kramer, Adeltraut Hahn-Schumann
Regieassistenz: Stefan Dutt
Regie: Eaghor E. Kostetzky
Zwischen zwei kaputten Welten lebt der doppelzüngige Felix Netuka. Aber die Doppelzüngigkeit ist keineswegs nur eine Beschreibung seiner Geistesverfassung: ihm ist in der Tat von Natur aus eine gespaltene Zunge gewachsen. So verwundert es kaum, daß sich Manager des Show-Geschäfts für ihn interessieren; einen besseren Schlangen- und Teufelsmenschen kann man sich ja nicht denken. Früher war Felix Netuka einmal, mit dem "68-iger" zusammen, einem der Organisatoren der Studentenrevolte, gewesen. Jetzt macht er Karriere. Dagegen wäre weniger einzuwenden, wenn er sich nicht gleichzeitig verpflichten sollte, für seine Prinzipalin ein schwarzes Köfferchen zu transportieren, von dem er mit Recht vermutet, daß da nichts Segensreiches drin ist. Dem Hörer ist bekannt, daß es sich um harte Drogen handelt und der Interpret vermutet, daß der Autor darüberhinaus meint, das Show-Geschäft sei ohnehin eines der Opiate, das die Bewußtseinsindustrie verbreitet. Zu diesem Zeitpunkt trifft Netuka seinen alten Freund, den "68-iger" wieder, der inzwischen an der Spritze hängt. Dessen Verfall vor Augen, wird sich Netuka bewußt, wohin er nicht gehen und wo er nicht mitmachen darf. Von der etablierten Gesellschaft, die er als "Leichenträger" beschimpft hat und von dem Drogen-Underground gleichermaßen bedroht, findet er einen tragisch-satirischen Ausweg: er schneidet sich seine Doppelzunge ab. Peter Wagner hat groteske Szenen und Typen geschaffen und damit eine bunte zeitkritische Revue gestaltet, die dem interpretierenden Hörer Gelegenheit bietet, nach Herzenslust zu deuten. Das Hörspiel leitet eine lose Folge von Stücken ein, die den Motiven und Ereignissen des politischen Engagements der Jugend von 1968 nachgehen.