ARD-Hörspieldatenbank
Sendespiel (Hörspielbearbeitung)
Das deutsche Drama aus zwei Jahrhunderten (in Gegenüberstellungen)
König Nicolo
Schauspiel in drei Aufzügen und neun Bildern
Vorlage: König Nicolo (Theaterstück)
Regie: Alfred Braun
Die Sende-Spiel-Zeit 1926/1927 sollte als durchgehende Hauptveranstaltung einen Zyklus: "Das deutsche Drama aus zwei Jahrhunderten (in Gegenüberstellungen)" bringen. In zwei aufeinanderfolgenden Wochen sollte immer das Drama je eines älteren deutschen Dramatikers und das eines ihm im Wesen verwandten Dichters der Gegenwart gesendet werden. Man begann mit der Gegenüberstellung von Christian Dietrich Grabbes "Herzog Theodor von Gothland" und von Frank Wedekinds "König Nicolo". Aber schon nach diesem ersten Versuch schlief der dramatische Zyklus ein, und es folgten nun die Sende-Spiele ohne bestimmten Plan. (Kurt Pinthus in: Fünf Jahre Berliner Rundfunk)
Als Gegenüberstellung zu Grabbes "Herzog Theodor von Gothland" brachte die Sendespielbühne Frank Wedekinds "König Nicolo" heraus. Die Beziehungen, die zwischen den beiden Dichtern zweifellos bestehen, wären vielleicht stärker spürbar gewesen, wenn man von Wedekind ein Stück gewählt hätte, das mehr auf die Triebhaftigkeit der Figuren, also auf das, was ihn mit Grabbe verbindet, gestellt ist ("Erdgeist", "Marquis von Keith"). Andererseits muß gesagt werden, daß sich "König Nicolo" wegen der Buntheit des Geschehens und wegen der klar gebauten Handlung vorzüglich für den Rundfunk eignet. Regiemäßig war es wohl die beste Leistung der bisherigen Sendespielsaison. Offenbar hatte Alfred Braun diesmal genügend Zeit zur Vorbereitung. So kam es zu einigen sehr starken Momenten und zu einigen wirklich funkischen Effekten. Wenn z.B. der Hofstaat des Königs Pietro karrikierend durch fünf kurze, harte Trommelschläge gekennzeichnet wird, die wie ein trockenes Husten klingen, oder wenn das Beifallsklatschen von Nicolos Publikum allmählich in einen strengen 4/4 Takt übergeht, so sind das stilisierende Mittel der Funkregie, die von starker, formaler Bedeutung sind. Besonders aber war es diesmal gelungen, sowohl den Szenenwechsel als auch den Auftritt der Personen in unauffälligster Weise durch kleine Einschaltungen zu verdeutlichen. In dieser Beziehung war das Erscheinen Almas im Kerker, dieses minutenlange, fassungslose Stammeln, Lachen, Schluchzen eine Meisterleistung ausdrucksvollen Funkspiels. Ueberhaupt waren darstellerisch die Szenen zwischen Fritz Kortner und Lucie Mannheim die stärksten; besonders Kortner war an einigen Stellen von erschütternder Ausdruckskraft. Aus dem übrigen Ensemble ragte besonders Rosa Valetti hervor, die eine Kupplerin mit stärkster Eindringlichkeit sprach. Ein gelungener Abend. (Der Deutsche Rundfunk)