Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
Georg Heym
Der Irre
Vorlage: Der Irre (Novelle)
Bearbeitung (Wort): Iris Drögekamp, Manfred Hess
Dramaturgie: Manfred Hess
Technische Realisierung: Dietmar Rözel, Judith Rübenach
Regieassistenz: Nicole Paulsen, Constanze Renner
Regie: Iris Drögekamp
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Martin Rentzsch Erzähler Christian Redl Der Irre
Ein Wahnsinniger wird aus der Nervenheilanstalt entlassen. Am liebsten würde er sich an den Ärzten für ihre unmenschlichen Behandlungsmethoden rächen, aber er ist jetzt frei, und so steht als Erstes die Rache an seiner Frau auf dem Programm, die ihn wegen seiner Aggressivität einweisen ließ. Er geht Richtung Stadt, durchstreift die Felder, genießt die Sonne. Auf dem Wege zerquetscht er freudig die Grashalme, als ob sie Schädeldecken wären. Plötzlich bedroht ihn die Sonne, er legt sich nieder, er schläft. Und als Kinder ihn wecken und fliehen, empfindet er es als Schmach und tötet sie. Es ist ein ekstatischer Rausch. Danach hat er Mitleid mit den Kreaturen. Aber eine Frau stört ihn und er durchbeißt ihr gleich einer Hyäne die Kehle. Blutverschmiert badet er im See, er ist ein Waldgeist, plötzlich kehrt die Angst zurück, dann die Ruhe und er macht sich wieder auf den Weg in die Stadt. Dank des Hinweises eines Polizisten findet er die Wohnung seiner Frau. Die ist jedoch menschenleer, lange schon verlassen. Der Irre lärmt, möchte eine Ratte töten, Nachbarn kommen und er flieht in Panik in eine Kirche. Sie ist aber ein Kaufhaus. Dort fühlt er sich auf der Rolltreppe frei wie ein Vogel. Als die Menschen ihn aber bedrohlich anschauen, erwürgt er eine Kassiererin und wird dabei durch den Hinterkopf erschossen. Heyms 1911 geschriebene, postum 1913 veröffentlichte Novelle erzählt die Geschichte des letzten Tages eines Irren als pathologischen Fall in all seiner schonungslosen Brutalität – von der verrückten Gnadenlosigkeit seiner Handlungen bis zur gnadenlosen Antwort der Gesellschaft. Er nutzt dabei ohne Wertung immer wieder die Innenperspektive als Darstellungsmittel und findet so einen Ausdruck für das Faszinosum am Hässlichen, Irrationalen, Subjektiven und Unmoralischen.
Weitere Informationen
Georg Heym, geboren 1887 in Hirschberg/Schlesien, gestorben am 16. Januar 1912 in Berlin, zählt mit seinem schmalen wie eindringlichen Prosa- und Dichtungswerk zu den Frühvollendeten des deutschen Expressionismus. Er ertrank im Alter von 24 Jahren bei einer Schlittschuhpartie auf der Havel. Heym gehörte dem im Winter 1909 gegründeten »Neuen Club« an, einer Vereinigung von Studenten und jungen Künstlern wie u.a. Jakob van Hoddis und Ernst Blass, die sich gegen den wilhelminischen Zeit- und Kunstgeist wandten.
Produktions- und Sendedaten
- Südwestrundfunk 2012
- Erstsendung: 20.12.2012 | SWR2 | 46'39
Rezensionen (Auswahl)
- Stefan Fischer: Abschied von der Menschheit. In: Südddeutsche Zeitung 20.12.2012. S. 29.