Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
James Joyce
Ulysses (10. Teil: Irrfelsen)
Szene: Straßen; Uhrzeit im Roman: 15 Uhr; Organ: Blut; Kunst: Mechanik; Symbol: Bürger; Technik: Labyrinth
Vorlage: Ulysses (Roman, englisch)
Übersetzung: Hans Wollschläger
Bearbeitung (Wort): Klaus Buhlert
Komposition: Klaus Buhlert
Dramaturgie: Manfred Hess
Technische Realisierung: Andreas Meinetsberger, Klaus Buhlert
Regie: Klaus Buhlert
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Manfred Zapatka Erzähler Jens Harzer Stephen Dedalus Stefan Wilkening Pater John Conmee, Pater Hugh C. Love, C.P. M'Coy, Pater Bob Cowley, Jimmy Henry, Blinder Peter Kurth Corny Kelleher, Seemann Michael Lucke Konstabler, Auktionator, Ben Dollard Mira Partecke Boody Dedalus, Mädchen Mandy Rudski Maggy Dedalus, Dilly Dedalus Wolfram Koch Blazes Boylan, Tom Kernan, John Wyse Nolan Bibiana Beglau Miss Dunne Maximilian von Pufendorf Ned Lambert Jürgen Holtz J.J. O'Molloy Hendrik Arnst Tom Rochford, Jack Power Lars Rudolph Nosey Flynn Milan Peschel Lenehan, Martin Cunningham Dietmar Bär Leopold Bloom Werner Wölbern Buck Mulligan Hans Werner Meyer Haines Alberto Fortuzzi Almidano Artifoni Jens Harzer Stephen Dedalus Ernst Stötzner Simon Dedalus
Wir befinden uns in Dublin. Es ist der 16. Juni 1904, 15.00 Uhr. Im Treiben der Stadt gehen viele Menschen offenbar ziellos ihren Angelegenheiten nach. Joyce hat in diesem Kapitel konsequent auf eine Hauptfigur, aus deren Perspektive erzählt wird, verzichtet. Es sind viele Personen, deren Wege Joyce hier verfolgt. Sie "irren" wie von einer geheimen Mechanik gezogen durch das Stadtlabyrinth. Joyce verknüpft die Parallelhandlungen über eine Montagetechnik von 18 kurzen Episoden.
Da ist Pater Conmee, der von der Christianisierung der heidnischen Seelen Afrikas träumt; da ist ein betrunkener Seemann, er grölt ein Lied gegen England und ihm wirft Molly eine Münze aus dem Fenster zu. Auch die Schwestern von Stephen Dedalus tauchen auf. In Geldnot versuchen sie Stephens Bücher zu versetzen und betteln ihren dem Trunk ergebenen Vater um eine paar Münzen an. Balzes Boylan bemerkt, dass er zum Rendezvous mit Molly um 16 Uhr zu spät kommt und schickt ihr vorab einen Früchtekorb. M'Coy und Lenehan verabreden sich fürs Ormond Hotel mit Boylan und reden über Bantam Lyons Pferdewette. Sie bemerken Bloom, der ein erotisches Buch für Molly sucht. Auch Mulligan und Haines kommen zu Wort: sie reden voller Neid über Stephens beeindruckenden Intellekt und stellen seine mangelnde künstlerische Begabung fest. Am Ende gibt es eine berührende Szene mit Dignams Sohn, der nur schwer Trauer über seinen toten Vater empfinden kann.
Als Klammer und anschließend ausgeführte Coda arbeitet Joyce die Stadtfahrt der vizeköniglichen Kavalkade mit dem Repräsentanten Englands in die Montage ein.
Der Titel des Kapitels, "Irrfelsen", verweist auf eine Meerenge, die in Homers Odysee erwähnt wird.
Die Meerenge der Irrfelsen, die nur der Argonaut Jason durchquerte und die bei Homer nur Erwähnung finden, nutzt Joyce als mythologische Vorlage für 18 Episoden und eine Coda. In diesem Kapitel sind alle Dubliner die Protagonisten. Sie "irren" gleich wandernden Felsen und wie von einer geheimen Mechanik gezogen durch das Stadtlabyrinth.
Joyce verknüpft über eine Montagetechnik ihre Wege, Handlungen und Bewusst-seinsströme: Da ist Pater Conmee, der Dignams Sohn im Waisenhaus anmelden will und von der Christianisierung der heidnischen Seelen Afrikas träumt; da ist ein betrunkener Seemann, er grölt ein Lied wider England und ihm wirft Molly eine Münze aus dem Fenster zu; da sind die Schwestern Stephens, sie versuchen in Geldnot seine Bücher zu versetzen und holen ihren, dem Trunk ergebenen Vater aus dem Pub; und da ist Boylan, der für das Rendezvous um 16 Uhr vorab Molly einen Früchtekorb schickt; oder Stephen, er trifft seinen früheren Italienisch-Lehrer Artifoni und hat Gewissenbisse angesichts der armselige Existenz seiner Schwestern; M’Coy und Lenehan verabreden sich im Ormond Hotel mit Boylan und reden über Lyons Wette; Bloom ist auf der Suche nach einem erotischen Buch für Molly; Martin Cunningham sammelt Geld für die Familie Dignam; Mulligan und Haines reden über Stephens beeindruckenden Intellekt, aber doch mangelnde künstlerische Begabung; und Dignams Sohn kann nur schwer Trauer über seinen toten Vater empfinden. Sie alle streift am Ende die Stadtfahrt der vizeköniglichen Kavalkade mit dem Repräsentanten Englands.
Weitere Informationen
James Joyce, geboren am 2. Februar 1882 in Dublin, gestorben am 13. Januar 1941 in Zürich, studiert nach seiner Schulzeit an den jesuitischen Colleges Congowes Wood und Belvedere moderne Sprachen. Anschließend bricht er zu seinem ersten Parisaufenthalt auf. Nach Dublin kehrt er 1903 aufgrund der Erkrankung seiner Mutter zurück, die kurz darauf stirbt. Am 16. Juni 1904 führt Joyce seine spätere Lebensgefährtin Nora Barnacle zum ersten Mal aus (dieses Datum wird als ›Bloomsday‹ im "Ulysses" verewigt); das Paar verlässt Irland und versucht zunächst in Zürich, dann in Pula Fuß zu fassen. Andauend in Geldnot arbeitet Joyce als Englischlehrer in Triest und beendet 1906 seinen Erzählband "Dubliners", der erst 1914 veröffentlicht wird. Daraufhin beginnt er mit seiner Arbeit am "Ulysses". 1916 erscheint "A Portrait of the Artist as a Young Man". Während des Ersten Weltkriegs droht Joyce als britischem Staatsbürger in Österreich-Ungarn die Verhaftung; er geht nach Zürich, wo er über Vermittlung von Ezra Pound die englische Feministin und Verlegerin Harriet Shaw Weaver kennenlernt, die ihn zeitlebens finanziell unterstützt. 1922 beendet Joyce an seinem 40. Geburtstag die Arbeit an "Ulysses", den im gleichen Jahr Shakespeare & Company veröffentlicht. 1939 erscheint "Finnegans Wake" in London. 1940 muss Joyce aus Paris vor der anrückenden Deutschen Wehrmacht fliehen und kehrt nach Zürich zurück.
Klaus Buhlert, geboren 1950, lebt seit seiner Flucht aus der DDR ab 1972 in Berlin. Nach einem Studium der Musik, Akustik und Informatik ging er an das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/ USA und erhielt danach einen Lehrauftrag der Elektronischen und der Computer-Musik an der Technischen Universität Berlin. 1983 lernte er den Regisseur George Tabori kennen und schrieb für ihn bis 1995 zahlreiche Bühnenmusiken. Daneben schuf er weitere Theater- und FIlmmusiken, u.a. für den Film "Natural Born Killers" von Oliver Stone. Seit 1992 arbeitet Buhlert zumeist in Personalunion als Autor, Bearbeiter, Komponist und Regisseur für das ARD-Hörspiel. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen: u.a. Deutscher Hörbuchpreis für "Der Mann ohne Eigenschaften" nach Robert Musil; Hörspiel des Jahres für "Mosaik" nach Konrad Bayer 2004; Preis der Akademie der Künste 2001 für "Die Reise" nach Bernward Vesper.
Produktions- und Sendedaten
- Südwestrundfunk / Deutschlandradio 2012
- Erstsendung: 16.06.2012 | SWR2 | 86'07
Veröffentlichungen
- CD-Edition: Der Hörverlag 2012
Auszeichnungen
- Deutscher Hörbuchpreis 2013 (Bestes Hörspiel)
- hr2-Hörbuchbestenliste August 2013 (1. Platz)
- hr2-Hörbuchbestenliste Juli 2012 (1. Platz)
- hr2-Hörbuchbestenliste August 2012 (2. Platz)
- Preis der deutschen Schallplattenkritik 2012 (Bestenliste 4. Quartal)
- Hörbuch des Jahres 2012 (hr2-Hörbuchbestenliste)
Rezensionen (Auswahl)
- Stefan Fischer: Bloomsday. In: Süddeutsche Zeitung 07.01.2012. S. 19.
- Gaby Hartel: Ein liebenswertes Buch. In: epd Medien 22.06.2012. S. 3.
- N.N.: Mein Tag mit Mr. Bloom. In: Stuttgarter Zeitung 18.06.2012.
- Stefan Fischer: Große Fragen. 22 Stunden »Ulysses«: ein wahnwitziger Radiotag beim SWR. In: Süddeutsche Zeitung 15.06.2012. S. 17.
- Alexander Cammann: Die verführerischsten Sätze. In: Die Zeit 14.06.2012. S. 53.
- Jan Scheper: »Das Hörspiel konzentriert sich auf das schönste Organ«. In: die tageszeitung 14.06.2012. S. 15.
- Ricarda Bethke: »Ulysses« im Radio: Eine Dauersendung der besonderen Art. In: Freitag 14.06.2012. S. 1.
- Jochen Schmidt: Jedes Leben ist ein Epos. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 10.06.2012. S. 31.
- Eva-Maria Lenz: Der unvergessliche Tag. In: Funkkorrespondenz 08.06.2012. S. 24.
- Christian Brückner: Bloomsday auf allen Kanälen. In: epd Medien 07.06.2012.
- Stefan Fischer: Parallelwelten. In: Süddeutsche Zeitung 13.04.2012. S. 15.
- Elmar Krekeler: Große polyphone Sprachoper. In: Funk-Korrespondenz. 08.03.2013. S. 3.