Hörspielbearbeitung
Autor/Autorin:
James Joyce
Ulysses (12. Teil: Kyklop)
Szene: Kneipe; Uhrzeit im Roman: 17 Uhr; Organ: Muskel; Kunst: Politik; Symbol: Fenier; Technik: Gigantismus
Vorlage: Ulysses (Roman, englisch)
Übersetzung: Hans Wollschläger
Bearbeitung (Wort): Klaus Buhlert
Komposition: Klaus Buhlert
Dramaturgie: Manfred Hess
Technische Realisierung: Andreas Meinetsberger, Klaus Buhlert
Regie: Klaus Buhlert
Weitere Mitwirkende
Sprecher/Sprecherin Rolle/Funktion Thomas Thieme Erzähler 1 Josef Bierbichler Joe Hynes Corinna Harfouch Erzählerin Rufus Beck Erzähler 2 Stefan Wilkening Priester
Das Kapitel spielt um 17 Uhr - das ist die Zeit, zu der man sich in Dublin zum Bier trifft und von den Erlebnissen des Tages spricht.
Auch in diesem Kapitel wechselt die Erzählperspektive. In grobschlächtiger Sprache blickt hier ein namenloser Ich- Erzähler zurück auf sein Treffen um 17 Uhr mit Joe Hynes in Barney Kiernans Pub. Die beiden reden verächtlich über einem jüdischen Händler und vertrinken mit Gleichgesinnten Bantam Lyons Wettgewinn vom Pferderennen, den er einem Tipp von Leopold Bloom am Morgen zu verdanken glaubt.
Leopold Bloom, der 40 jährige Anzeigenverkäufer und einer der Helden des "Ulysses" von Joyce, wartet währenddessen nichts ahnend an der Straßenecke auf Martin Cunningham. Mit ihm will er bereden, wie der armen Witwe des heute beerdigten Paddy Dignam finanziell geholfen werden kann.
Joyce gab dem 12. Kapitel den Namen "Kyklop". Bloom gerät hier wie Odysseus ins Land der "einäugigen" unzivilisierten Riesen. Aus der Perspektive der Kyklopen lässt Joyce somit hier in gewissem Sinne erzählen. Denn über Leopold Bloom wird hier zwar viel geredet, aber direkt zu Wort kommt er nicht.
Einer der Kyklopen, der einäugige Polyphem der "Odyssee", ist bei Joyce eine schlicht "Bürger" genannte Person, der die Gäste im Pub in nationalistischer und antisemitischer Weise gegen Bloom, den Iren mosaischer Glaubensabstammung, aufhetzt.
Joyce gibt seiner, in diesem Kapitel benutzten Erzähltechnik, den Namen "Gigantismus": Das derbe Gerede des Ich-Erzählers wird dabei immer wieder von essayistischen Einschüben durchzogen und verfremdet. Sie persiflieren journalistisches Gerede über irische Sagen und Mythen, nationale Legendenbildung, Literatur und Politik - was in diesem Sinne auch als eine Art von gigantischer Selbstüberhebung zu verstehen wäre.
Weitere Informationen
James Joyce, geboren am 2. Februar 1882 in Dublin, gestorben am 13. Januar 1941 in Zürich, studiert nach seiner Schulzeit an den jesuitischen Colleges Congowes Wood und Belvedere moderne Sprachen. Anschließend bricht er zu seinem ersten Parisaufenthalt auf. Nach Dublin kehrt er 1903 aufgrund der Erkrankung seiner Mutter zurück, die kurz darauf stirbt. Am 16. Juni 1904 führt Joyce seine spätere Lebensgefährtin Nora Barnacle zum ersten Mal aus (dieses Datum wird als ›Bloomsday‹ im "Ulysses" verewigt); das Paar verlässt Irland und versucht zunächst in Zürich, dann in Pula Fuß zu fassen. Andauend in Geldnot arbeitet Joyce als Englischlehrer in Triest und beendet 1906 seinen Erzählband "Dubliners", der erst 1914 veröffentlicht wird. Daraufhin beginnt er mit seiner Arbeit am "Ulysses". 1916 erscheint "A Portrait of the Artist as a Young Man". Während des Ersten Weltkriegs droht Joyce als britischem Staatsbürger in Österreich-Ungarn die Verhaftung; er geht nach Zürich, wo er über Vermittlung von Ezra Pound die englische Feministin und Verlegerin Harriet Shaw Weaver kennenlernt, die ihn zeitlebens finanziell unterstützt. 1922 beendet Joyce an seinem 40. Geburtstag die Arbeit an "Ulysses", den im gleichen Jahr Shakespeare & Company veröffentlicht. 1939 erscheint "Finnegans Wake" in London. 1940 muss Joyce aus Paris vor der anrückenden Deutschen Wehrmacht fliehen und kehrt nach Zürich zurück.
Klaus Buhlert, geboren 1950, lebt seit seiner Flucht aus der DDR ab 1972 in Berlin. Nach einem Studium der Musik, Akustik und Informatik ging er an das Massachusetts Institute of Technology in Cambridge/ USA und erhielt danach einen Lehrauftrag der Elektronischen und der Computer-Musik an der Technischen Universität Berlin. 1983 lernte er den Regisseur George Tabori kennen und schrieb für ihn bis 1995 zahlreiche Bühnenmusiken. Daneben schuf er weitere Theater- und FIlmmusiken, u.a. für den Film "Natural Born Killers" von Oliver Stone. Seit 1992 arbeitet Buhlert zumeist in Personalunion als Autor, Bearbeiter, Komponist und Regisseur für das ARD-Hörspiel. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen: u.a. Deutscher Hörbuchpreis für "Der Mann ohne Eigenschaften" nach Robert Musil; Hörspiel des Jahres für "Mosaik" nach Konrad Bayer 2004; Preis der Akademie der Künste 2001 für "Die Reise" nach Bernward Vesper.
Produktions- und Sendedaten
- Südwestrundfunk / Deutschlandradio 2012
- Erstsendung: 16.06.2012 | SWR2 | 83'56
Veröffentlichungen
- CD-Edition: Der Hörverlag 2012
Auszeichnungen
- Deutscher Hörbuchpreis 2013 (Bestes Hörspiel)
- hr2-Hörbuchbestenliste August 2013 (1. Platz)
- hr2-Hörbuchbestenliste Juli 2012 (1. Platz)
- hr2-Hörbuchbestenliste August 2012 (2. Platz)
- Preis der deutschen Schallplattenkritik 2012 (Bestenliste 4. Quartal)
- Hörbuch des Jahres 2012 (hr2-Hörbuchbestenliste)
Rezensionen (Auswahl)
- Stefan Fischer: Bloomsday. In: Süddeutsche Zeitung 07.01.2012. S. 19.
- Gaby Hartel: Ein liebenswertes Buch. In: epd Medien 22.06.2012. S. 3.
- N.N.: Mein Tag mit Mr. Bloom. In: Stuttgarter Zeitung 18.06.2012.
- Stefan Fischer: Große Fragen. 22 Stunden »Ulysses«: ein wahnwitziger Radiotag beim SWR. In: Süddeutsche Zeitung 15.06.2012. S. 17.
- Alexander Cammann: Die verführerischsten Sätze. In: Die Zeit 14.06.2012. S. 53.
- Jan Scheper: »Das Hörspiel konzentriert sich auf das schönste Organ«. In: die tageszeitung 14.06.2012. S. 15.
- Ricarda Bethke: »Ulysses« im Radio: Eine Dauersendung der besonderen Art. In: Freitag 14.06.2012. S. 1.
- Jochen Schmidt: Jedes Leben ist ein Epos. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 10.06.2012. S. 31.
- Eva-Maria Lenz: Der unvergessliche Tag. In: Funkkorrespondenz 08.06.2012. S. 24.
- Christian Brückner: Bloomsday auf allen Kanälen. In: epd Medien 07.06.2012.
- Stefan Fischer: Parallelwelten. In: Süddeutsche Zeitung 13.04.2012. S. 15.
- Elmar Krekeler: Große polyphone Sprachoper. In: Funk-Korrespondenz. 08.03.2013. S. 3.